Happy Family heisst ein Lied der Punkband Ramones. Happy Family heisst das Büchlein von Maryse und Alesch Vital, und Punks sind auch sie. Will heissen: nonkonformistisch und unangepasst. Auch deswegen haben sie sich für ein Leben als Bäuerin und Bauer entschieden, wie sie in «Happy Family» dokumentieren. Dies, nachdem sie erst in Sachen Kunst und Werbung von Zürich aus aufbrachen und unter anderem in Kanada, den USA oder England zu Hause waren. In Amerika hätten sie dem Löwen ins Maul geschaut und gemerkt, dass sie dieses Leben in der Überflussgesellschaft nicht wollten, weil es Verschleiss und Zerstörung bedeutete. Ebenso wurde ihnen klar, dass sie nicht einfach nur «goge schaffe» wollten. Sie wollten ihr Leben selbst bestimmen. Also wurden sie Bäuerin und Bauer – nicht sofort oder von heute auf morgen, sondern in drei Schritten, auf drei Höfen sozusagen. Die ersten beiden lagen im Unterland, der dritte und letzte dann in Scuol respektive etwas oberhalb, Tanter Dossa sein Name. Allerdings war es ein beschwerlicher Weg bis nach Tanter Dossa. Weniger wegen der steilen Strasse, sondern wegen all der Vorschriften, den Ämtern und sonstigen Hindernissen, die ihrem Lebenstraum im Weg standen. Doch die zwei samt ihren mittlerweile drei Kindern liessen sich nicht entmutigen und machten immer weiter. Sie hörten nicht auf das Gespött im Dorf und die Lästereien der Berufskolleg*innen, sondern verfolgten ihren Weg hartnäckig und ausdauernd – und mit Erfolg. 70 Gaissen, 1 Transporter, 1 Pferd, 11 Hühner, 2 Güggel, 14'100 Liter Gaissenmilch, 2150 Puina Gaisskäse, 2384 kg Ardöfel, 602 kg Gerste, 1342 kg Weizen oder 221 kg Roggen und weiteres mehr, so die äusserst eindrücklichen Eckdaten ihres Hofes, wie der Hofspiegel zeigt, welcher im Büchlein abgebildet ist.
Nebst dem Hofspiegel, der eine Skizze ist, enthält «Happy Family» 16 weitere Postkarten, die allesamt Fotomontagen sind, welche Alesch früher – noch ohne Computer – in Handarbeit und mithilfe ausgewiesener Grafiker hergestellt hat. «Butterfly Hunt», «20 Jahre Sägemehl» und «Family Vital» sind einige Titel der Karten. Hinter den harmlos klingenden Namen verbergen sich tiefsinnige Geschichten mit Abgründen. Diese haben Fadrina Hofmann auf Romanisch und Leo Koch auf Deutsch niedergeschrieben. Erzählt haben die Geschichten respektive die Episoden Maryse und Alesch Vital, einmal für Fadrina Hofmann und dann noch für Leo Koch. Tatsächlich unterscheiden sich die deutsche und die romanische Version deutlich und geben jede für sich einen feinfühligen Einblick ins Leben der Familie Vital – die Familie, der Alesch jetzt fehlt, in der er aber dank den Bildern und den Texten in «Happy Family» immer weiterlebt.
Das Buch gibt es in der Libraria Poesia Clozza in Scuol zu kaufen.