«Was willst du denn dort machen?» «Ein eigenes Geschäft eröffnen.» Dieser Dialog war es, der den Umzug besiegelte, den Umzug vom Zürcher Oberland nach Scuol. Protagonisten des Dialogs waren Livia Horath und Gian Luca Vitalini, und ziemlich sicher hat der Dialog auch noch etwas länger gedauert, die Quintessenz aber war die des Ortswechsels.
Zum Engadin respektive zu ihrem Mann gekommen sei sie wie so viele andere auch, «in den Ferien», sagt die junge Frau, die ursprünglich aus Rütihof bei Baden kommt. Livia Horath war in den Skiferien immer in Scuol und hat dort Gian Luca kennengelernt. Und zusammen sind sie dann erst ins Zürcher Oberland gezogen, wo sie auch arbeiteten.
Polster fürs «Kaufleuten»
Aber zurück zum eigenen Geschäft, was wollte denn Livia Horath überhaupt machen respektive was ist ihr Beruf? Innendekorateurin habe sie gelernt, in Niederrohrdorf. Auf den Beruf gekommen sei sie dank der Berufsberaterin, und als sie dann in ihrem späteren Lehrbetrieb schnupperte, war der Fall klar – für beide Seiten. Im Lehrbetrieb hätten sie viele Kundenarbeiten ausgeführt, unter anderem für diverse Bars. Das «Kaufleuten», ein bekannter Club in Zürich, sei Stammkunde bei ihnen gewesen, «dank den Frauen, die mit ihren High Heels auf den Sesseln rumtanzten», erklärt Livia mit einem Lächeln. Ab und zu sei sie dann tatsächlich auch in anderen Bars gewesen, bei denen sie die Sessel und Hocker frisch gepolstert habe. Sie selbst habe damals noch kein grosses Aufhebens darum gemacht, sagt sie, ihre Kollegen aber hätten ihre Arbeit durchaus gefeiert.
Mittlerweile aber hat auch Livia Horath einen richtigen Berufsstolz entwickelt, sagt sie. Gut, sollte sie auch, mit eigenem Geschäft. Dieses befindet sich, um wieder auf den Anfang zurückzukommen, in Scuol Sot. Im Haus des ehemaligen Jon Sports oder vorher Sesvenna Sport oder noch früher eben ein Bodenbelagsgeschäft. Dieser Umstand war es denn auch, der Livia zu ihrem Geschäftslokal verhalf. Denn irgendwann nach ihrem Dialog traf Gian Lucas Mutter Marlene Arquint in Scuol an und berichtete von den Plänen von Gian Luca und Livia. Ja, und der Rest ist Geschichte respektive der Anfang einer neuen Geschichte. Seit 2017 arbeitet Livia Horath nun in ihrem Atelier in Scuol Sot und konzentriert sich dabei auf Polsterarbeiten und aufs Beraten der Kunden für Vorhänge und Installieren von Beschattungssystemen.
Auch Eigenkreationen
Die Kundschaft bestehe vor allem aus Privaten, Ansässigen oder Zweitheimischen, aber auch einzelne Hotelbetriebe zählten dazu. Der Kundschaft gemein ist die Liebe zu ihren Möbelstücken, die sie von Horath auffrischen respektive neu polstern lässt. Auch die Liebe zur Qualität eint Kundschaft und die Polsterin. Das beginnt bereits bei der Qualität der Möbelstücke, die es ins Atelier in Scuol Sot schaffen. «Ikea-Möbel sind es eher nicht, denn dort kostet meine Arbeit das doppelte vom Neupreis», resümiert Horath. Lieblingsstücke sind es dafür, Lieblingsstücke der Besitzer, die sich davon nicht trennen können und wollen und sie dank der Polsterin in einen neuen Lebensabschnitt führen. Ab und an entwirft sie aber auch neue Stücke respektive polstert oder bezieht diejenigen, die sie in Zusammenarbeit mit Schreinern geplant hat. So zum Beispiel alle Sessel der neuen Cinema Staziun in Lavin. Die Holzstühle stammen aus der Werkstatt von DaLini in Susch und das Polster – eben aus Scuol Sot. Ob dank Eigenkreationen oder Kundenarbeiten, der gegenwärtige Geschäftsgang entspreche jedenfalls durchaus den Hoffnungen, die sie zu Beginn ihrer Geschäftstätigkeit hatte. Klar sei sie auch mit einer gewissen Naivität ins neue Abenteuer gestartet, ohne diese hätte sie sich gar nicht getraut und schon von Beginn weg verloren.
Und ja, zwischendurch verlässt sie das Atelier auch zum Schlafen, Essen und Wohnen, aber ab und an auch zum Fischen. Wobei nicht sie fische, sondern Gian Luca, doch es mache ihr Freude, ihn dabei zu begleiten und ab und zu gehen sie auch zusammen wandern.
Den Schritt nach dem Dialog, also denjenigen ins Unterengadin, hat sie jedenfalls bis heute nicht bereut. Mittlerweile sei sie angekommen und fühle sich auch gut akzeptiert, sicher auch, weil die Menschen ihre Persönlichkeit spürten.