Es ist knapp 30 Jahre her, seit in Scuol das letzte Generationenprojekt entstanden ist. Am 1. März 1993 eröffnete das Bogn Engiadina, welches mittlerweile zum Tourismusmagnet geworden ist und als unverzichtbare Infrastruktur gilt. Der Eröffnung vorangegangen ist der mutige Entscheid der Stimmbevölkerung, 50 Millionen Franken in dieses Projekt zu investieren.
Nun steht die inzwischen fusionierte Grossgemeinde wieder an einem ähnlichen Punkt wie vor 30 Jahren und das hat unter anderem auch mit dem Bogn Engiadina zu tun. Trotz regelmässiger Sanierungen und Erneuerungen kämpft das Bad mit sinkenden Eintritten. Waren es 2003 noch 214'000 Badegäste und 2008 knapp 228'000, verzeichnete das Bogn im Jahre 2019 nur noch 173'700 Eintritte. Noch dramatischer ist der Rückgang beim Römisch-Irischen Bad: Von 24'473 im Jahre 2003 auf lediglich noch etwa 6600 im Jahr 2020, was einem Rückgang von 72 Prozent entspricht. Neue Lösungen oder Ideen wären also gefragt, um den Besucherschwund aufzuhalten. Aber wenn schon über wichtige Infrastruktur im Dorf nachdenken, dann richtig, haben sich die Verantwortlichen gesagt und darauf das Projekt «Avegnir Infra Scuol» ins Leben gerufen. Dabei hat das Projektteam, bestehend aus Regionalentwickler Niculin Meyer, Tourismuspräsident Andrea Matossi und Vizepräsidentin Martina Hänzi sowie Claudio Duschletta, Direktor des Bogn Engiadina, den Blick geweitet und auch noch das Areal Trü mit dem Freibad und Openair-Eisfläche sowie Gurlaina mit Eishalle, Fussball- und Tennisplätzen mit in die Betrachtung einbezogen. Das Hallenbad Quadras, in unmittelbarer Nähe des Bogns gelegen, stand auch unter Beobachtung.
Mit Hilfe der Bevölkerung
Selbstverständlich haben die vier nicht allein im stillen Kämmerlein gewirkt, sondern in einem 13-köpfigen Projektlenkungsausschuss, unter fachkundiger Anleitung von grischconsulta und gemeinsam mit der Bevölkerung der Fusionsgemeinde Scuol, die favorisierten Varianten ausgearbeitet. An zwei öffentlichen Veranstaltungen und mehreren Seminaren mit jeweils bis zu 50 Teilnehmenden tasteten sie sich strukturiert an mögliche Lösungen heran. Dazu skizzierten sie zu jedem Areal erst drei mögliche Szenarien, die anschliessend intensiv diskutiert wurden. Dabei blieben einzelne Ideen auf der Strecke, andere hingegen konkretisierten sich langsam. Und an der letzten, öffentlichen Veranstaltung vom 26. Oktober 2022 in Scuol präsentierte das Team für jedes Areal das aus den Diskussionen hervorgegangene, bestmögliche Szenario.
Wellness und Familienbad im Bogn Engiadina
Im Laufe des Projektes stellte sich heraus, dass das Bogn beileibe nicht nur bei Gästen eine starke Anziehung besitzt, sondern auch bei den Einheimischen. Das Problem allerdings ist, dass es für Familien ein zu wenig ausgestaltetes Angebot gibt. Wer selbst schon mal mit kleineren Kindern dort war, weiss, von was die Rede ist. Ist doch der Grundtenor im Bad eher Stille und weniger Kindergeschrei. Da könnte eine Erweiterung Abhilfe schaffen, durchaus auch mit Integration des Hallenbades Quadras, in welcher Art auch immer.
Freizeit und Familien im Trü
Das Trü hingegen ist bereits heute ein beliebter, öffentlicher Treffpunkt. Im Sommer bei der Jugend, die sich im Freibad trifft. Bei Familien mit kleineren Kindern auch, die sich ebenfalls in der Badi treffen. Im Winter treffen sich dort die Curler*innen, Eisprinze*ssinnen sowie Hobby-Hockeyspielende.
Deshalb lag die Stossrichtung eigentlich auf der Hand. Das Trü soll ein Ort der Begegnung bleiben, und als Anziehungspunkt für Jung und Alt noch gestärkt werden. Ob dies nun mit dem bestehenden Freibad, eher einem Badesee oder einem neuen Zentrumsgebäude mit verschiedenen Indoor-Angeboten geschieht, das soll dann Teil der detaillierteren Betrachtung sein.
Profis und Ambitionen auf Gurlaina
Bereits heute verbringen Hockeyclubs aus dem Unterland wie die ZSC Lions oder der EV Zug ihre Trainingslager in Scuol und trainieren dabei in der Eishalle Gurlaina. An diesem Konzept soll festgehalten werden, im besten Falle aber erweitert durch die Rasensportler*innen. Immer wieder träfen Anfragen von renommierten Fussballclubs ein, welche ihr Trainingslager in Scuol absolvieren wollten, hört man in Scuol. Genauso prompt folgt dann die Absage, wenn die Teams erfahren, dass der Fussballplatz nicht der FIFA-Norm entspricht. Im besten Falle also soll nebst dem Eisangebot auch das Fussballfeld vergrössert werden. Wie die zukünftige öffentliche Infrastruktur aussehen könnte, ist ebenfalls Teil der Überlegungen. Oder auch wie Indoorsportarten, wie zum Beispiel Klettern, noch integriert werden könnten. Der Planungskredit sieht jedenfalls einen Masterplan für Gurlaina als Sportkompetenzzentrum vor – dessen Inhalt hängt direkt von den Absichten für das Areal Trü ab.
Vieles ist also noch offen, die Hauptstossrichtungen für die drei Areale sind allerdings mal vorgespurt. Klar, dass sich das Projektteam auch mit den Kosten befasst hat, soweit dies zum jetzigen Zeitpunkt bereits möglich ist. 50 bis 60 Millionen Franken würden diese nach heutigen Berechnungen betragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die «Ohnehinkosten» sowieso 30 Millionen Franken betragen. Will heissen, der ganz normale Erhalt aller Anlagen im Status Quo kostet 30 Millionen Franken an Investitionen über die nächsten 20 Jahre. Zudem hat sich das Projektteam auch schon Gedanken zu einer ausgewogenen Finanzierung gemacht, ohne dass die gesamten Kosten einfach der Gemeinde aufgebürdet würden. Da wäre es doch eigentlich durchaus interessant, die «wenn-schon-denn-schon-Variante» zu wählen.
Der erste Schritt dazu ist die Abstimmung über einen Planungskredit von 1,2 Millionen Franken am 12. Dezember 2022. Mit diesem Geld sollen dann Vorprojekte für jedes Areal ausgearbeitet werden und wer weiss, vielleicht folgt dann darauf das nächste Generationenprojekt, diesmal von der Grossgemeinde Scuol.