Egal, ob Tschlin, Sent, Susch, Brail, Sta. Maria oder Müstair, eine Giuventüna oder Juventüna gibt’s in jedem Dorf. Das zumindest sagen die Websites der verschiedenen Gemeinden, welche auf die organisierten Jungmannschaften hinweisen. Nicht immer ganz klar ist jedoch, wie aktuell die Einträge auf den entsprechenden Seiten sind. So kann es auch vorkommen, dass unter einer eingetragenen Telefonnummer jemand ganz anderes das Telefon abnimmt, als die angegebene Person. Wobei derjenige, der dann unerwartet am Telefon ist, so geschehen, immerhin der ehemalige Präsident besagter Jugend ist. Aktiv sei er aber nicht mehr, sagt er. Zwar habe er noch nicht geheiratet, sei jedoch nahe dran, gibt er schmunzelnd zu Protokoll. Denn die Heirat ist tatsächlich der einzige Grund, mit dem sich ehrenhaft aus der Jugend ausscheiden lässt.
Grosse und kleine Jugenden
So kommt es, dass in der Giuventüna Müstair das älteste Mitglied 55 Jahre alt ist. Die jüngsten Mitglieder sind in jeder Giuventüna 16 Jahre alt. Denn ab dieser Altersgrenze darf man der Giuventüna beitreten. Wieso man das als jugendliche Person tun sollte? Um die Kameradschaft im Verein zu pflegen, den Kontakt zur Heimat respektive zum Heimatdorf zu halten und natürlich, um mit Gleichgesinnten eine gute Zeit zu haben. So steht es ebenfalls auf den diversen Websites der Jugendorganisationen, so sagt es aber auch Riet Scandella, Präsident der Giuventüna Müstair, und sein Wort darf durchaus Gewicht haben. Immerhin zählt «seine» Organisation stolze 70 Mitglieder, wovon 40 aktiv sind und 30 eher passiv. Überhaupt scheint die Giuventüna im Val Müstair gut verankert zu sein. Denn die «Nachbarorganisation» Sta. Maria-Valchava zählt rund 50 Mitglieder. 40, 20 und 30 lauten die entsprechenden Zahlen bei den Jungmannschaften in Valsot, namentlich Ramosch, Tschlin und Strada-Martina.
Der grösste Ort im Unterengadin hingegen, Scuol, muss etwas neidisch ins Tal blicken. Gemäss Präsident Geremia Roner zählt die Jungmannschaft noch 29 Mitglieder. Er sieht vor allem mangelndes Interesse als Ursache nicht beizutreten und den Umstand, dass viele Junge gar nicht mehr im Tal wohnen, sondern dieses für die Ausbildung oder die nachfolgende Arbeit verlassen haben.
Nichtsdestotrotz leisten diejenigen, die noch aktiv sind, sei es in Scuol, Tschlin oder Sta. Maria einen wertvollen Beitrag zum Dorfleben. Diverse Dorffeste dürften schwierig durchzuführen sein, wenn die Jugend nicht mehr für die Gastwirtschaft zuständig wäre. Wobei hier durchaus von einer Win-win-Situation gesprochen werden kann. Für ihren Einsatz bei diesen Anlässen belohnen sich die jungen Leute mit Reisen in wärmere Gefilde oder solche, die die Herzen der Jungen auf andere Weise höherschlagen lassen. Ibiza, Prag, Agia Napa sind beliebte Destinationen oder einfach Bierbrauereien.
Highlife zwischen Weihnachten und Neujahr
Doch gerade in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr läuft die Jugend regelmässig zu Hochform auf und veranstaltet die verschiedensten Anlässe. Dabei ist der Samichlaus eine Bank in jedem Giuventüna-Kalender. Das ganze Tal hoch und runter kommt der Nikolaus am 6. Dezember oder in der Nähe dieses Datums zu den Kindern. Gegeben von den jungen Leuten der Juventünas. Aber Achtung, es könnte durchaus vorkommen, dass danach eines oder mehrere Kinder fehlen. Mitgenommen im Sack vom Schmutzli. Doch meistens kommen sie nachher wieder zum Vorschein.
Gerade im Val Müstair ist für die Juventünas der Dezember der intensivste Monat. Diejenige von Müstair verteilt nach der Mitternachtsmesse am 24. Dezember Glühwein auf dem Platz Grond und organisiert die Heilige Messe am Stephanstag. Am selben Abend findet dann die Generalversammlung statt, genau wie auch bei der Jugend von Sta. Maria und Valchava. Dies macht durchaus Sinn, sind doch dann auch die Jungen wieder zu Hause, welche ihren Lebensmittelpunkt eher woandershin verlegt haben.
Quasi einen Partymarathon legt die Giuventüna Sta. Maria-Valchava vom 27. bis zum 31. Dezember hin. Dann findet das Festival «ün chasté» statt. Vier Tage mit dichtem Programm, in diesem Jahr mit Zauberer, Oktoberfest, Slash and cash und Silvesterparty samt Ausläuten. Letzteres meint das Ziehen der Kirchenglocken von Hand, ein Brauch, der ebenfalls noch in vielen Dörfern gepflegt wird. Genauso wie die Neujahrwünsche am anderen Morgen. Dabei zieht die Jugend von Haus zu Haus, um ein gutes Neues Jahr zu wünschen und etwas Feuerwasser zu kredenzen. Auch deshalb können diese Touren oft sehr lange und immer länger dauern. Matinadas heissen diese in Valsot.
Im Januar greift dann auch das Unterengadin wieder etwas ins Geschehen ein, dies mit den Babanias. Diese finden noch in Ardez und in Ftan statt. In Ardez an dem Samstag, der dem 6. Januar am nächsten liegt, in Ftan am letzten Samstag vorm Februar. Die Babania ist ein Tanz in Tracht unter den Jungen und Jugendlichen, bei dem die Tanzpartner ausgelost werden. Dem Vernehmen nach soll sich früher so das eine oder andere dauerhafte Paar gebildet haben, heute ist dies eher nicht mehr der Fall. Dem Spass und der Freude am Ganzen tut dies aber überhaupt keinen Abbruch.
Und apropos Freude. Diese wächst bei den verschiedenen Jungmannschaften, proportional zu den Neueintritten in die Jugend. Damit dies auch tatsächlich eintritt, haben sich schon verschiedene Sektionen Neuerungen in Sachen Feste oder auch Sportturniere einfallen lassen. Denn selbstverständlich ändern sich die Zeiten auch hier. Hauptsache aber ist, dass die Jungen trotzdem noch zum aktiven Dorfleben beitragen.