Zentraler Blickfang der Ausstellung ist der Pavillon aus Recycling-Pet, der die Gäste in die weite Welt entführt. Denn die eingebauten Monitore zeigen Videos, die an 21 Standorten in 14 Ländern aufgenommen wurden. Sie stammen von Videofallen, die dort während eines Jahres Stimmungen und Lebensräume eingefangen haben. Dabei sind tausende Stunden Videomaterial zusammengekommen, das maschinell ausgewertet, zu 20-minütigen Filmen geschnitten und synchronisiert wurde. So lässt der begehbare Pavillon Besucherinnen und Besucher in die natürliche Umgebung von Wildtieren eintauchen – und visualisiert die enormen Datenmengen, die bei der Arbeit mit Kamerafallen entstehen.
Eine der Kameras stand auch im Schweizerischen Nationalpark (SNP) im Bereich Val Trupchun/Val Müschauns.
Artenschutz und Technologie
Jede achte Spezies ist heute vom Aussterben bedroht. Dieser Biodiversitätsverlust ist eine riesige globale Herausforderung. Ökologinnen und Ökologen untersuchen, wie Tier- und Pflanzengesellschaften auf menschliche und klimatische Einflüsse reagieren – und wie wir sie schützen können. Dabei greifen sie immer mehr auf digitale Hilfsmittel zurück. Dank Kamerafallen mit Bewegungsmeldern lassen sich Wildtiere beobachten, ohne ihr Verhalten zu beeinflussen. Allerdings fallen dabei riesige Datenmengen an, deren Auswertung sehr zeitaufwendig ist. Auch der SNP hat mittlerweile rund 1,8 Mio. Bilder von automatischen Kameras gesammelt und deren Verarbeitung vereinfachen können. Immer mehr Forschungsteams nutzen maschinelles Lernen, um die Bildauswertung zu beschleunigen. Ziel des Projektes ist es, das Wissen rund um den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) auszutauschen und die automatische Analyse der Aufnahmen weiterzuentwickeln. Denn diese Methode erlaubt das Monitoring von Tierarten unter Vermeidung von invasiven Methoden, wie dies zum Beispiel bei der Markierung von Tieren mit Halsbandsendern der Fall ist.
Neue Möglichkeiten in der Verhaltensforschung
Die transdisziplinäre Musikinstallation «Zuzuhören gerufen» ist ebenfalls auf der Grundlage von Kamerafallendaten entstanden. Sie stammt aus den Nimba-Bergen in Guinea, wo die Primatologin und evolutionäre Anthropologin Kathelijne Koops von der Universität Zürich seit über zwei Jahrzehnten die materielle Kultur von Menschenaffen untersucht. Dabei hat sie viele Aufnahmen von Schimpansen gesammelt, die mit Händen und Füssen auf Baumstümpfe trommeln. Vermutlich ist dieses «buttress drumming» eine Form der nichtvokalen Kommunikation, bei der die Tiere individuelle Trommelstile entwickeln. Wie Menschen haben nämlich auch Schimpansen kulturelle Ausdrucksformen, die sich je nach Gemeinschaft unterscheiden.
Nicolas Buzzi hat sich künstlerisch mit den Videos aus Kathelijne Koops Feldforschung auseinandergesetzt. Das Rufen und Trommeln der Schimpansen und die Geräusche des Waldes liegen einer Komposition zugrunde, die dem westlichen Musikdenken eine alternative Musikalität gegenüberstellt. «Zuzuhören gerufen» soll ein Bewusstsein für die menschgemachte Zerstörung von Lebensräumen schaffen – denn die Schimpansen-Gemeinschaften der Nimba-Berge sind durch Bergbau, Wilderei und Entwaldung bedroht. Ein dringliches und langfristiges Engagement ist nötig, um ihre kulturelle Vielfalt in freier Wildbahn zu erhalten.
Spot the spots
Das Giraffen-Memory zeigt, wie eine Software das individuelle Fellmuster der bedrohten Massai-Giraffen erkennen kann. Besucherinnen und Besucher können versuchen, Giraffen anhand ihrer Fellmuster zu erkennen und die Bildpaare mit denselben Mustern zu finden – denn genau wie unsere Fingerabdrücke sind keine zwei Giraffenfellmuster auf der Welt gleich.
Das Giraffen-Memory vermittelt allen Altersgruppen, wie die Wildtierbiologin Monica Bond von der Universität Zürich zur Erforschung der bedrohten Massai-Giraffen künstliche Intelligenz und Softwares zur Mustererkennung einsetzt. In einem Gebiet, das fast viermal so gross ist wie der Kanton Graubünden, überwachen sie und ihr Team rund 4000 Giraffenindividuen – und tragen so zu ihrem Schutz bei.
Ökologie ist ein zentrales Forschungsgebiet der Universität Zürich, die in diesem Fachgebiet weltweit auf Platz 11 rangiert (GRAS Global Ranking of Academic Subjects 2022). «Bits, Bytes & Biodiversität» soll den Austausch zwischen Forschung und Öffentlichkeit fördern. Denn auch wenn die Zukunft digitaler Methoden in der Ökologie vielversprechend ist, funktionieren Natur- und Artenschutzprojekte nur, wenn sie über Fachkreise hinaus breite Unterstützung finden.