Landschaften wissen viel zu erzählen – so etwa die Terrassen rund um Tschlin.
Landschaften wissen viel zu erzählen – so etwa die Terrassen rund um Tschlin. © Andrea Badrutt, Chur

Landschaften – verstehen, erleben und erzählen

Angelika Abderhalden Landschaft umgibt uns überall, es verstehen nicht alle dasselbe darunter. Nach Definition des Europarates ist Landschaft ein Gebiet, wie es vom Menschen wahrgenommen wird, dessen Charakter das Ergebnis der Wirkung und Wechselwirkung von natürlichen und/oder menschlichen Faktoren ist.

Mit der Region Engiadina Bassa/Val Müstair verbinden Viele artenreiche Trockenwiesen und -weiden, Heckenlandschaften mit einer vielfältigen Vogelwelt, Lärchenwälder oder die ehemaligen Ackerterrassenlandschaften, die das Landschaftsbild vielerorts prägen.

Im Modellvorhaben INSCUNTRAR beschäftigen sich verschiedene Organisationen aus der Region, unter wissenschaftlicher Begleitung seitens der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), mit dem Wert der Leistungen der Landschaft. Als Testgebiet wurde das Gebiet zwischen Tschlin und Ramosch näher untersucht und die Erkenntnisse werden anschliessend für die ganze Region Engiadina Bassa/Val Müstair angewendet.

Blick in die Landschaft des Unterengadins talaufwärts.
Blick in die Landschaft des Unterengadins talaufwärts. © Angelika Abderhalden

Landschaften verstehen

Zwischen Ramosch und Tschlin wurden an zwölf Standorten, durch eine von der WSL entwickelten Umfrage, Rückmeldungen zur Landschaft erhoben. Die Methodik wurde angepasst an diejenige von LABES (Landschaftsbeobachtung Schweiz), die regelmässig vom Bundesamt für Umwelt durchgeführt wird. 329 Personen füllten die Umfrage aus. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Landschaft als sehr schön wahrgenommen wird. Dies ist eine subjektive Wahrnehmung. Daher wurden die Personen zu Beginn der Wanderung nach ihren Erwartungen an die Landschaft und am Ende zu ihrer Erfahrung vor Ort befragt. Die Erwartungen wurden meistens übertroffen, lagen aber bei einzelnen Kriterien darunter. Ein Ergebnis war, dass die Befragten hohe Erwartungen an eine Landschaft bezüglich Schönheit, Vielfalt/Artenreichtum und der Echtheit der Landschaft haben. Insgesamt wurden zehn Kriterien abgefragt. Von den drei genannten, am höchsten gewichteten Kriterien, wurden bei zwei die Erwartungen übertroffen (Schönheit, Echtheit) und bei einem (Vielfalt/Artenreichtum) waren die Erwartungen (88 Prozent) höher, als was vor Ort angetroffen wurde (82 Prozent).  Die Ergebnisse werden bis Ende 2023 ausgewertet und auf der Website der Stiftung Pro Terra Engiadina verfügbar sein. Diese Umfrage wird in Zukunft regelmässig wiederholt, um Änderungen in der Landschaft und deren Wahrnehmung zu erfassen.

Inscuntrar Online-Befragung, Beispiel eines in der Landschaft aufgestellten Schilds.
Inscuntrar Online-Befragung, Beispiel eines in der Landschaft aufgestellten Schilds.

Landschaften erleben

Auf Wanderungen erlebt man Landschaften sehr unterschiedlich. Es ist immer abhängig vom Programm, welches man wählt; Einflüsse wie Wetter spielen ebenfalls eine Rolle. Um auf das Thema Landschaft und Erleben zu fokussieren, wurde zusammen mit dem Schweizerischen Nationalpark eine App für die Gemeinde Valsot entwickelt. An 51 Standorten erhält man Informationen zur Geschichte der Landschaft, Natur, Kultur, den Orten, zur Nutzung und zum Thema «Klein und Fein». Die meisten Standorte liegen entlang des Wanderweges von Ramosch nach Tschlin. Daneben gibt es in jeder Fraktion kürzere Rundwege mit einzelnen Standorten. Nach dem Herunterladen der App wird kein Internet benötigt, sie funktioniert offline.

Für das Erlebnis der Landschaft wurde ein weiteres Tool entwickelt. Es ist ein Natur-Trail. Der erste N-Trail ist in der Gemeinde Scuol bereits installiert und umfasst Elemente der Kulturlandschaft wie Quellen, Obstgärten und deren landwirtschaftliche Nutzung. Ein Startpunkt ist am Bahnhof von Scuol-Tarasp. Von dort werden die Wandernden mittels QR-Codes zu den 4 Stationen geleitet, bei denen sie umfassende Informationen und interaktive Elemente zu den genannten Landschaftsthemen finden. Weitere N-Trails, die von Dialog-N in den anderen Gemeinden entwickelt werden, folgen demnächst.

Landschaften erzählen

Was Landschaften uns erzählen und was wir über Landschaften erzählen, wird in diesem Themenschwerpunkt von INSCUNTRAR bearbeitet. Landschaften sind wie ein Buch zu lesen, sie erzählen uns vieles über ihre Entstehung und Nutzung. Eine Methode sind die durch den Schweizerischen Nationalpark erstellten Refotografien. Diese geben eindrückliche Einblicke in die Änderung wie auch im Gleichbleiben der Landschaft und lassen vieles aus vergangenen Zeiten aufleben. Solche Bilder können sehr gut für die Erzählung von früheren Begebenheiten oder der Entstehung und Nutzung der Landschaft verwendet werden. Die Refotografien finden sich auf der Website der Stiftung Pro Terra Engiadina unter «Wandel». Mit dem Schieber in der Bildmitte sind die Veränderungen der Landschaft detailliert nachvollziehbar.

Refotografie: Die Terrassenlandschaften von Sent und Ramosch.
Refotografie: Die Terrassenlandschaften von Sent und Ramosch. © Foto 1947 von Werner Friedli (links), Foto 2021 SNP (rechts)
Aktuelles

INSCUNTRAR ist ein Projekt der Modellvorhaben «Nachhaltige Raumentwicklung 2020 – 2024», im Themenschwerpunkt «Landschaft ist mehr wert» und wird vom Bund und Kanton unterstützt. Die Stiftung Pro Terra Engiadina, der Schweizerische Nationalpark, die Regionalentwicklung Engiadina Bassa/Val Müstair, das Center da Sandà Engiadina Bassa, Tourismus Valsot und die WSL bilden das Projektteam. An einem Anlass am Samstag, 16. September 2023, ab 10.00 Uhr in San Niclà, wird die Meinung der Bevölkerung zur Landschaft, zu ihrer Lieblingslandschaft und zu den Wünschen der zukünftigen Landschaft eingeholt. Dazu werden noch Teilnehmende gesucht. Das detaillierte Programm ist auf proterrae.ch zu finden. 

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