Herr und Frau Steinbock machen Pause in der Wand.
Herr und Frau Steinbock machen Pause in der Wand. © Cesare Mauri

Wenn ich Jäger werden wollte

Jürg Wirth Ab dem 1. September herrscht in Graubünden wieder Ausnahmezustand, denn dann beginnt die Hochjagd. Doch was braucht es überhaupt, dass man daran teilnehmen kann? Ein Quasi-Selbstversuch.

Eigentlich – so habe ich mir überlegt – könnte ich fürs ALLEGRA mal so tun, als ob ich Jäger werden wollte. Gedacht, getan, weshalb ich hier nun schreiben werde, wie denn das sein könnte. Der erste Schritt führt ins Internet und dort auf die Seite des Kantonalen Amtes für Jagd und Fischerei. Dort aufs Unterkapitel «Wild und Jagd» und von dort zu «Jagdprüfung und -ausbildung».

Unter dem Titel «Wie werde ich Jäger*in» findet sich da Folgendes: «Im Kanton Graubünden können Sie innerhalb von 16 Monaten die Jagdprüfung ablegen. Die kantonale Jagdprüfungsverordnung ist regelbestimmend für die Prüfungsbedingungen. Über die Ausschreibung im Amtsblatt des Kantons Graubünden können Sie sich detailliert informieren.»

Bei Fragen zur Eignungsprüfung, welche auf dieser Internetseite nicht beantwortet werden, wenden Sie sich bitte an den Administratoren Wildhüter Gian Fadri Largiadèr, Cinuos-chel.»

Sofort gehe ich weiter zum Stichwort «Anmeldeunterlagen» und dann, wie geheissen, in die Abteilung «Formulare und Gesuche». Dann folgt jedoch der erste Dämpfer, denn im Moment stünden keine Anmeldeformulare für die Jagdprüfung zur Verfügung, steht dort geschrieben. Gut, ich wollte mich ja nicht wirklich anmelden, aber trotzdem. 

Les’ ich halt mal nach, was denn der Lehrgang und die Prüfung alles beinhalten würden und wofür ich mich anmelden würde. Nämlich für die Jagdprüfung, die Hegeleistung und den Jagdlehrgang bzw. die Ausbildungskurse, wobei diese fakultativ sind. 

Gämsen sind flink und eher weiter oben angesiedelt.
Gämsen sind flink und eher weiter oben angesiedelt. © Cesare Mauri

Kurse ausgebucht

Jedenfalls erfülle ich die Voraussetzungen für die Anmeldung, denn ich habe das 17. Altersjahr im Anmeldejahr vollendet, sehr locker sogar, und einen gültigen Personalausweis kann ich auch vorzeigen.

Wäre ich tatsächlich im ganzen Prozedere dabei, müsste ich im Juli/August des ersten Ausbildungsjahres die Waffen- und Schiessprüfung absolvieren. Voraussetzung dafür sind aber mindestens 30 Stunden Hegeleistung und der Besuch einer anerkannten Waffen- und Schiessausbildung.

Was die Hegeleistung betrifft, so kommt dies bei den Jägern und Jägerinnen immer wieder vor. Denn Jagen ist nicht einfach nur Tiere schiessen, sondern deren Lebensraum hegen und pflegen. Dazu holzen die Waidleute eingewachsene Waldstücke aus, pflanzen neue Hecken an oder stellen Trockenmauern wieder instand.

Zur Vorbereitung auf die theoretische Waffenprüfung dient der Fragenkatalog, der ebenfalls auf der Website zu finden ist. 

Vor den Fragen kommt aber eine lange Aufzählung zum Thema «Allgemeine Sicherheitsregeln für den Umgang mit Waffen». Ich denke, die Theorie zur Waffe könnte ich mir aneignen, also lernen. Und was das Schiessen selbst anbelangt, so kann ich auf eine mehrjährige Schützenkarriere mit verschiedenen Kalibern, von Luft- bis Sturmgewehr zurückblicken. Das ist allerdings schon eine Weile her, aber das wird wohl so sein wie beim Velofahren – man verlernt es nicht. Gut, die Waffen- und Schiessprüfung hätte ich dann also. Weiter geht’s mit dem LARGO-Ausbildungskurs. Zum Stichwort Largo kommt mir der Kinderpsychologe in den Sinn. Der hat damit allerdings nichts zu tun, denn hier geht es um Wildbrethygiene, oder wie es auf der Website steht: Die Kommission für die Aus- und Weiterbildung der Jäger (KoAWJ) führt zusammen mit dem Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) und dem Amt für Jagd und Fischerei (AJF) Aus-/Weiterbildungstage zum Thema Wildbret, ein qualitativ hochwertiges Lebensmittel (LARGO) durch.

Nebst dem theoretischen Teil, der die Themen Anatomie, Physiologie, Verhaltensweisen von Wild, pathologische Veränderungen beim Wild sowie Hygiene- und Verfahrensvorschriften für den Umgang mit erlegtem Wild wiedergibt, findet jeweils eine praktische Ausbildung statt. Das klingt jedenfalls sehr interessant und lehrreich. Tatsächlich kann dieser Kurs einfach auch von Interessierten aller Art besucht werden, nicht nur von angehenden Jagenden. Leider aber ist der Kurs am 2. Februar 2025 in Thusis bereits ausgebucht. 

Jagen ist vielmehr Team- als Einzelsport.
Jagen ist vielmehr Team- als Einzelsport. © Cesare Mauri

Spannende Theorie

Nach LARGO geht’s dann ans Eingemachte. Dann folgt die theoretische Prüfung «Wild und Jagd». Diese findet im Februar/März des zweiten Ausbildungsjahres statt. Damit ich zur theoretischen Prüfung zugelassen würde, müsste ich vorgängig an der Waffen- und Schiessprüfung teilgenommen haben und 50 Hegestunden geleistet haben. 

Als Vorbereitung auf die Theorieprüfung gilt es das Buch «Jagen in der Schweiz» zu lesen, zu verstehen und möglichst alles daraus zu wissen. Dies hat mir tatsächlich mal ein Kollege geschenkt, weshalb ich jetzt darin herumschmökern kann. Das ist durchaus interessant, geht es doch nicht nur um Waffen und Schiessen, sondern um die Geschichte des Jagens, um Wildtierbiologie- und ökologie, um Wildtiermanagement, das jagdliche Handwerk, die Wildverwertung, dort dürfte es Überschneidungen mit LARGO geben. Selbstverständlich gehört ein Kapitel Waffen, Munition und Optik dazu, ein weiteres widmet sich den Jagdhunden. Wildtierkrankheiten behandelt das Buch ebenso wie Jagd und Öffentlichkeit und schliesslich noch die Jagdgesetze. Zudem gibt’s noch Tipps zu Lernstrategien.

Selbst wenn man nie an eine Jagdprüfung gehen möchte, weiss man nach dem Lesen dieses Buches, dass die Jäger unter «Ansprechen» nicht das suchende Gespräch bei Menschen meinen, sondern die Altersbestimmung der möglichen Zieltiere. Liegt die Jägerin hier falsch, ist das anschliessend ein Fall fürs Jagdgesetz, welches die Bestrafung bei Zuwiderhandlungen regelt. 

Oder auch, weshalb die Evolution Wiederkäuer hervorgebracht hat. Bei den Kühen merkt man dies wohl nicht mehr so stark, bei Rehen, Steinböcken oder Hirschen hingegen schon. Diese nehmen hastig das Futter auf, die Rehe zum Teil auch ganze Pflanzenteile, sofern sie leicht verdaulich sind. Danach ziehen sie sich zurück zum Wiederkäuen. Weil die Rehe nur einen kleinen Pansen haben, verdauen sie die leicht verdaulichen Pflanzenteile rasch. Steinböcke hingegen ernähren sich von schwer verdaulichen Pflanzenteilen wie beispielsweise Gras, sind also eher die Kühe des Wildes. Die Könige der Alpen verfügen über riesige Pansen und verdauen sehr langsam. Hirsche und Gämsen sind diesbezüglich ein Zwischending. 

Vögel gilt es auch zu kennen, das kann ich mir allerdings sparen, bin ich doch diplomierter Feldornithologe. Weiter geht’s um Wildschweine, Füchse, Marder, Hermeline und dergleichen mehr. Darum, auf welche Tiere man eher mit Schrot statt mit Kugeln schiesst, dazu hat mir aber unlängst ein Wildhüter erklärt, dass hier fast alle Tiere mit Kugeln erlegt werden. Dies erspart zumindest die mühsame Kugeln-Herausklauberei beim Essen. 

Obwohl mich Hunde nicht sonderlich interessieren, könnte ich auch dort Einblick gewinnen, wenn ich möchte und eben in die Jagdgesetze. Das wäre wahrscheinlich die zäheste, aber fast wichtigste Materie. Denn Fehler werden streng geahndet und kommen aufgrund der grossen Anzahl jagender Kolleginnen und Kollegen fast immer ans Tageslicht.

Genau weil das Interesse an der Jagd im Kanton Graubünden so gross ist, sind wahrscheinlich auch die folgenden Kurse ausgebucht. 

Gut so, dann habe ich noch etwas Zeit, um zu überlegen, ob ich mich tatsächlich in den ganzen Jagdlehrgang begeben soll. Interessant wär’s auf jeden Fall.

Gämsen sind gerne im Rudel unterwegs.
Gämsen sind gerne im Rudel unterwegs. © Cesare Mauri

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