Wie lange brauchen Sie, um Schneeketten zu montieren?
Wenn es gut läuft, habe ich die Schneeketten in sieben bis acht Minuten montiert. Denn ich muss ja nur zwei hinten auf der Antriebsachse aufziehen. Vorne montiere ich nur ganz selten welche.
Wie oft müssen Sie das im Winter durchschnittlich machen?
Das kommt auf den Winter an. Grundsätzlich werden die Strassen sehr gut geräumt, wenn es aber stark und viel auf einmal schneit, kann es vorkommen, dass ich Schneeketten montieren muss. Das kommt vielleicht sechs- bis siebenmal im Winter vor.
Wenn ich mit dem Ortsbus fahre, muss ich häufiger Ketten montieren, denn dort sind die Strassen enger und steiler. Meistens fängt es am Abend an zu schneien, und wenn ich Spätdienst habe, montiere ich die Ketten.
Hat das in den letzten Jahren zu- oder abgenommen?
Eher abgenommen. Früher hatten die Busse grössere Räder, die hielten besser auf dem Schnee, da brauchte man nicht so rasch Ketten. Heute sind die Räder kleiner, dafür auch die Ketten feiner, deshalb kann ich sie länger drauflassen. Die groben von früher machten einen Heidenlärm und waren gar nicht fein zum Fahren. Deshalb musste man die öfter raufmachen und wieder runternehmen. Ich habe auch das Gefühl, dass es früher mehr geschneit hat und mit Räumen waren sie noch weniger schnell, also brauchte es öfters Ketten.
Sie dürfen mit dem Postauto die Samnaunerstrecke fahren, ist das ein Ritterschlag?
Eigentlich schon etwas, ja, und ich habe auch Freude, dass ich diese Strecke fahren darf. Allerdings bin ich sie schon vorher gefahren, einfach mit dem Lastwagen. Da habe ich für Volg und Usego ausgeliefert. Allerdings ist es mit dem Postauto anspruchsvoller. Fahre ich mit dem Lastwagen falsch in den Tunnel ein, reisst es vielleicht eine Ecke ab, beim Postauto drückts da grad die Scheibe ein.
Was braucht es für so einen Ritterschlag?
Ich hab mich einfach gemeldet. Zuvor mit dem Lastwagen bin ich auch über Land gefahren, aber da bist du fast nie zu Hause. Das hat mich mit der Zeit gestört, deshalb war es schön, dass ich auf die Samnauner Strecke wechseln konnte.
Ich bin wohl gerne Lastwagen gefahren, aber mit dem Bus gefällt es mir noch besser.
Worauf ist zu achten, damit man eine solche Strecke fahren kann?
Man sollte sehr konzentriert fahren oder schon öfters gefahren sein.
Aber einmal muss man ja beginnen?
Ja, eigentlich kann jeder auf diese Strecke wechseln, der will. Zu Beginn gibt es ganz sicher Test- respektive Lernfahrten. In der Stadt ist ja auch nicht einfach zu fahren, wegen der vielen Autos und Leute, hier sind die Anforderungen einfach anders.
Was ist denn besonders herausfordernd an der Strecke?
Man muss die Schneelage abschätzen können. Wenn viel Schnee liegt, fahren wir über Spiss, dort sind wohl die Tunnels breiter, dafür ist die Strasse viel steiler.
Und ja die Tunnels sind sicher besonders herausfordernd. Denn diese sind nicht viel grösser als das Postauto. Beim Reinfahren muss ich genau darauf achten, wie ich reinfahre, dass ich nachher nicht stecken bleibe oder mit dem Bus in die Wand fahre.
Aber mir gefällt die Arbeit ausgezeichnet. Ich fahre sehr gerne mit dem Bus, das ist wichtig. Denn wenn man etwas nicht gerne macht, ist das nur ein Murks.
Gibt es noch andere Schwierigkeiten?
Ich muss gut auf die Passagiere achten, also darauf, ob sie alle sitzen, bevor ich losfahre. Daneben muss ich aber auch immer vorausschauen, um allfällige Gefahren sofort lokalisieren zu können.
So war ich wohl nach dem Wechsel vom Lastwagen auf den Bus körperlich weniger gefordert, dafür mental viel stärker. Ende Woche war ich jeweils total erschöpft. Doch mit der Zeit hat sich das gelegt, denn man bekommt Routine. Das ist zwar gut, doch zu viel Routine ist gefährlich, denn konzentrieren muss man sich immer noch, sonst wird’s gefährlich.
Damit das nicht passiert, besuchen wir jährlich Postauto-Kurse, die sind gut und wichtig.
Was ist im Sommer anders?
Da hat es viel mehr Verkehr, da ist alles unterwegs. Velofahrer, Töffs, Wohnmobile und natürlich auch Autos. Töffs fahren oft in den Tunnel rein, wenn sie auf der anderen Seite das Postauto sehen, weil sie denken, die kämen vorbei, das ist aber nicht immer gesagt.
Haben Sie eine Lieblingspassage?
Eher nicht, aber am meisten aufpassen muss ich im Val Cotschna. Da braucht es die volle Konzentration, gerade früher, zu Beginn meiner Karriere hat mir diese Passage grossen Respekt eingeflösst. Schön auf der Strecke ist auch, dass die Passagiere äusserst dankbar sind und Freude am Fahren haben und mir gegenüber Respekt zollen.
Ansonsten kann ich nicht sagen, dass ich eine Lieblingspassage habe, weil ich alle gerne fahre.
Welches war das speziellste Erlebnis?
Einmal im Winter lief ein Hirsch etwa 200 Meter auf der Strasse vor mir her. Weil es viel Schnee hatte und die Strasse steil abfiel und gegen oben felsig war, konnte er nicht weg. Also habe ich ihn quasi vor mir «hergeschoben».
Auch schon musste ich ein Auto rückwärts aus dem Tunnel fahren, weil der Lenker das nicht mehr schaffte. Selbstverständlich helfe ich auch ab und zu beim Ketten montieren. Schliesslich hilft es ja nichts, wenn ich im Bus sitze und den anderen beim Montieren zuschaue und mich ärgere, dass es so lange dauert.
Können Sie sich vorstellen, noch woanders zu fahren und wenn, dann wo?
An und für sich schon. Letzten Herbst bin ich für Scuol Bahnersatz gefahren. Die Strecke Zernez-Mals würde mir auch noch gefallen.
Am besten gefällt mir aber schon die Samnauner Strecke, denn die ist anspruchsvoll und deshalb nicht langweilig. So weiss man am Abend, was man gemacht hat.