Mit Sicherheit lässt sich nur eines zum Laviner Backhaus sagen: Hier wurde früher gebacken. Banal zwar, aber wahr, und damit ist es dann mit den Gewissheiten auch fast schon vorbei.
Der Schweizerische Kunstführer über Lavin aus dem Jahre 1985 legt das Baujahr nur ungefähr fest, nämlich ins 19. Jahrhundert. Zudem weiss er noch, dass das Haus bereits damals nicht mehr benutzt wurde. Tatsächlich ist das kleine Haus, im Dorfteil Somchants gelegen, bereits auf dem Plan eingetragen, der das Dorf vor dem Brand von 1869 zeigt. Auf dem Wiederaufbauplan ist es am gleichen Ort wiederzufinden, genauso wie das angrenzende herrschaftliche Haus, was darauf schliessen lässt, dass die beiden Gebäude vom Feuer verschont wurden.
Wenn schon nichts Konkretes über das Laviner Backhaus bekannt ist, auch Denkmalpfleger Johannes Florin tappt diesbezüglich etwas im Dunkeln, so weiss man doch, wie das Backen im Allgemeinen funktionierte.
Dies beschreibt der Historiker Jon Mathieu in seinem Buch «Bauern und Bären, eine Geschichte des Unterengadins von 1650 bis 1800». Demnach gab es in jedem Dorf Frauen, die von Zeit zu Zeit ihre Öfen einheizten und gerade für mehrere Haushalte Brot buken. Tatsächlich gibt es in Lavin nicht nur dieses Backhaus, sondern auch noch zwei grosse Holzöfen in privaten Häusern. Einer allerdings ist zugemauert, um Konkurrenz auszuschalten, wie man sich erzählt.
Dass das Backhaus noch intakt ist und wieder in Betrieb genommen werden konnte, lässt darauf schliessen, dass es durchaus quasi gewerblich betrieben wurde. Heisst, der oder die Bäcker*in feuerte ein und die Leute aus dem Dorf brachten ihre Teiglinge auf langen Brettern zum Backen vorbei. Mathieu jedenfalls erinnert sich noch daran, wie seine Grossmutter in Ramosch jeweils zu Hause das Brot für andere gebacken hat. Er geht denn auch eher von einem gewerblichen Ansatz aus, heisst, die Leute, die Brot backen liessen, bezahlten diejenigen, die den Ofen einfeuerten und die Arbeit ausführten. Im Gegensatz zur Surselva sei das gemeinschaftliche Backen im Engadin nicht so verbreitet gewesen, weiss Mathieu.
Im Gegensatz zu heute, wo der Bäcker den Ofen zweimal die Woche einfeuert, war das früher lediglich etwa viermal jährlich. Das heisst, pro Mal wurden grosse Mengen Brot gebacken, was dann aber auch für eine Weile reichen musste. So beschreibt der Chronist Martin P. Schmid in Mathieus Buch, dass die Brote wie Zwieback aussahen, in der oberen Kammer im Hause lagerten und nach kurzer Zeit so hart waren, dass man sie mit einem Hammer in Stücke zerteilen musste. Deshalb weichten die Leute das Brot vor Gebrauch in einem feuchten Keller etwas auf.
Auch deshalb bäckt Giacometti heute nur ein, zwei Dutzend Brote aufs Mal.