Sicher sind Sommerferien schön hier in der Gegend. Die Winterferien selbstverständlich auch. Nur wird es im Sommer auch hier zulande schon ziemlich heiss, der Winter ist naturgemäss kühl und der ist nicht jedermanns Sache und über den Frühling, also für den April und Mai hüllen wir uns geflissentlich in den Mantel des Schweigens, denn damit lässt sich hier nun überhaupt nicht prahlen. Da weiss der Winter nie, wann er aufhören soll und der Sommer, in den der Winter dann irgendwann nahtlos übergeht, ziert sich, den Winter zu verjagen.
Doch der Oktober, das ist ein wahrhaft goldener Geselle, für mich zumindest. Auch wenn dann vor lauter Herbstzeitlosen schon wieder etwas Wehmut nach dem vergangenen Sommer und viel Respekt für den kommenden Winter mitschwingt.
Heidel- oder Rauschbeere?
Kein anderer Monat ist so farbenprächtig wie der Oktober, selbst wenn sich hier die Auswahl an Laubbäumen mehr oder weniger auf Erlen und Bergahorn beschränkt. Doch die Natur trumpft nicht nur mit allerhand Farben auf, sondern auch mit kulinarischen Leckereien.
Dabei kommt alles Gute erst einmal von oben, weil dort halt die klimatischen Verhältnisse etwas rauer sind als unten in der Talsohle. An oder knapp über der Waldgrenze sind naturgemäss die ersten Beeren reif. Nämlich die Preiselbeeren oder die Heidelbeeren. Sie stammen aus der gleichen Familie, nämlich aus der Gattung der Heidelbeeren, Vaccinium. Doch es gibt nicht nur die beiden Beerenarten, sondern eine dritte, welche den Heidelbeeren zum Verwechseln ähnelt. Sie heisst Rauschbeere oder vaccinum uliginosum, während die Heidelbeere auf Lateinisch vaccinium myrtillus heisst. Tatsächlich kann der Verzehr grösserer Mengen von Rauschbeeren im schlechtesten Falle zu Erbrechen, Schwindelgefühl oder Pupillenerweiterung führen. Im besseren Falle, wobei dies natürlich Ansichtssache ist, zu einem leichten Rauschgefühl. Aber an und für sich lassen sich die beiden Beerenarten bei genauerem Hinschauen durchaus gut unterscheiden. Die Rauschbeeren sind eher länglicher und nicht so glänzend wie die Heidelbeeren und die Blätter etwas kleiner und matter, im Vergleich zu den hellgrün-glänzenden Blättern der echten Heidelbeere.
Doch damit nicht genug mit Verwirrung und Ähnlichkeiten, denn auch bei den Preiselbeeren gibt es zwei verschiedene Arten, allerdings erzeugt keine von beiden einen rauschähnlichen Zustand. Die eine eher nicht essbare, weissfleischige Variante führt lediglich zu einer leichten Enttäuschung, wenn man sie kaut, da sie etwa so schmackhaft ist wie ein Stück Holz. Die richtige Preiselbeere besticht roh genossen durch ihren leicht säuerlichen, frischen Geschmack und eingekocht und gesüsst als Begleiterin zu den im Herbst traditionellen Wildgerichten.
«Glühende» Berghänge
Aber von wegen Farbenpracht, dafür sorgen nicht nur die Beeren an sich, sondern auch ihre Trägerinnen, sprich die Sträucher. Denn die Blätter der Stauden verfärben sich, genauso wie die Blätter ihrer grossen Geschwister. Dabei dominiert nicht unbedingt gelb, sondern vor allem rot. Weil die kleinen Büschchen oberhalb der Waldgrenze gut sichtbar sind, erweckt dies bei tiefer stehender Sonne fast ein wenig den Eindruck, als würden die Hänge glühen und brennen, was jedes Jahr von Neuem wieder eindrücklich ist.
Überhaupt die Farben: Golden kann nämlich auch die unsrige Region und nicht nur das Oberengadin. Dabei beschränkt sich diese Farbe, die eigentlich mehr ein Zustand ist, nicht nur auf die allseits bekannten Lärchen, sondern auch auf die Erlen. Meine Lieblingsbäume diesbezüglich waren ein kleines Grüppchen auf einer grossen Wiese, welche allerdings letztes Jahr dem Sturm zum Opfer gefallen sind. Verloren diese ihre Blätter, fielen diese in einem grossen Kreis zu Boden, was von Weitem so wirkte, als hätten die Bäume goldene Schatten. Aber selbstverständlich sind auch die goldenen Lärchen jedes Jahr wieder ein Spektakel für die Augen. Langsam legt sich der Goldstaub von oben herkommend über die Bäume bis zur unteren Grenze und so lange, bis die letzte Nadel zu Boden gefallen ist. Kein Wunder fand dieses natürliche Gold auch im Kinderbuch «Jannaiverin» Eingang.
Klares Licht und tiefe Sonne
Damit all die beschriebenen Farben aber auch ihre Wirkung entfalten können, braucht es vor allem eines – das richtige Licht, und auch dieses bietet der Oktober respektive der Herbst. Die Sommertage kommen oftmals etwas diesig daher oder gar von Saharastaub eingehüllt, aber wenn nichts den Blick stört, dann haben die Spätsommertage wegen der hochstehenden Sonne scharfe Schatten, erstrahlen in klarstem Licht und die bereits etwas tiefer stehende Sonne zeichnet sowohl Mensch wie auch Natur klar, aber trotzdem weich. Die Weitsicht ist ebenfalls gegeben, weshalb sich Wanderungen dann umso mehr lohnen. Kommt dazu, dass die Temperaturen äusserst angenehm oder manchmal schon etwas kühl sind, was das Wandern erleichtert. Im besten Fall erstreckt sich das Wanderwetter noch bis in den November hinein.
Bekanntlich gibt Wandern Durst und vor allem auch Hunger und auch da gibt der Oktober alles und wartet mit gedecktem Tisch auf. Da sind beispielsweise die eingangs beschriebenen Heidel- und Preiselbeeren. Auch Pilze findet man durchaus noch in dieser Zeit. Dann sind aber auch die Vogelbeeren reif, die man allen anderslautenden Empfehlungen zum Trotz ebenfalls essen kann. Einfach erst nach ein oder zwei Frösten und mit Vorteil zu Chutney verkocht. Berberitzen, die Stammplätze der Neuntöter im Sommer, bilden ebenfalls äusserst schmackhafte und vitaminreiche Beeren, die dann reif sind. Allerdings sind die Beeren etwas klein, nicht so wie die Hagebutten, die sich aber nicht direkt ab Strauch geniessen lassen, sondern nur eingekocht, was aber bekannt sein dürfte. Am Grössten wären dann die Äpfel, die da und dort auch wild wachsen und durch ihre ursprüngliche Frische und Säure bestechen. Von allem etwas und dazu noch ein Blick auf Kühe, Schafe, Ziegen oder Pferde gibt’s am Südbündner Vieh- und Warenmarkt am 12. Oktober 2024 in Zernez.
Einheimisches Wild…
Weil im September die Jagd begonnen hat, übertrumpfen sich die Restaurants bereits im Oktober mit den verschiedensten Wildgerichten. Wer jedoch sicher sein will, dass das Rehschnitzel auch tatsächlich aus dem Engadin stammt, soll sich der Herkunft durch Nachfragen versichern. Und apropos versichern und sichern, sicher sind …