«Ich war 18, als ich zum ersten Mal nach Samnaun kam und leicht überfordert.» Jasmin Egli, Leiterin einer Ski- und Bikeschule in Samnaun, erzählt aus ihren Anfängen. Aufgewachsen ist sie im St. Gallischen Andwil. Bis zu ihrem Abstecher nach Samnaun kannte sie vor allem die Turnhallen der Ostschweiz von innen. Ganz sicher keine Clubs und auch keine Genussmittel. Denn Jasmin Egli absolvierte die KV-Lehre mit Berufsmatura auf der Gemeindeverwaltung und trainierte nebenbei drei- bis viermal pro Woche Volleyball im Dorfclub. Doch Dorf hin oder her, Andwil ist durchaus eine Macht im Volleyball, und Egli konnte sich fürs 1. Liga-Team qualifizieren. Weil sie aber auch noch aushilfsweise in der 3. Liga spielte und in der U-23-Auswahl Kapitänin war, kam es vor, dass sie drei Spiele am gleichen Tag hatte.
Vom Studium zur Skischule
Überlastet, damals? Das ist nur Kopfsache, antwortet sie souverän, und man glaubt es ihr. Deshalb spielte sie nicht nur Volleyball, sondern studierte auch noch Betriebswirtschaft an der HTW in Chur. Jedenfalls bis ihr Professor sie fragte, ob sie nun Profi-Volleyballerin sei oder Profistudentin. Profi-Volleyballerin war sie zwar nicht, aber doch mehr als Profistudentin. Sie brach das Studium ab, da es nicht dem entsprach, was sie sich vorgestellt hatte. Weil sie darauf einen Job brauchte, wandte sie sich an Bruno Zogg, den damaligen Leiter der Skischulen Unterwasser und Samnaun. Denn in der Skischule Unterwasser hatte sie schon unterrichtet, und in Samnaun brauchten sie auf den Winter 2014 jemanden fürs Büro. Das wurde dann eben Jasmin Egli.
Die ersten beiden Winter habe sie sich durchgekämpft, ohne Alkohol und Partyleben. Ab dem dritten habe sie dann «gut Gas gegeben», fasst sie ihre Anfangsjahre zusammen. Das El Rico möge sie sehr, und gibt damit gleich noch Ausgehtipps.
Weil das Jahr nicht nur aus Winter besteht, arbeitete Jasmin bereits im ersten Sommer wieder auf einer Gemeinde im Unterland, die Wochenenden jedoch habe sie immer in Samnaun verbracht, erinnert sie sich. Rasch habe sie die Leute in Samnaun ins Herz geschlossen. Die aus der Skischule sowieso, da sei man wie eine grosse Familie. Die andern aber auch, die Gäste sowieso. Denn die Gäste kämen immer wieder, und das Wiedersehen mache immer eine Riesenfreude. Diesen Winter habe sie eine Skilehrerin angestellt, die in Samnaun Skifahren gelernt habe, sagt sie. So arbeitet Jasmin Egli immer noch auf dem Büro der Schneesportschule Samnaun, mittlerweile einfach als Leiterin derjenigen. Dabei kümmert sie sich um die Klasseneinteilung, um das Lehrpersonal, aber auch um diejenigen, die Unterricht nehmen. Wenn es nötig ist, unterrichtet sie auch selber noch.
Leiterin geworden ist sie nicht, weil sie eine ist, die einfach im Büro sitzt und wartet, bis es weitergeht. Leiterin geworden ist sie, weil sie selber schaut, dass es weitergeht.
Diplomarbeit praktisch umgesetzt
So hat sie, um die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu verstehen, in Samedan Tourismus studiert. Ihre Diplomarbeit trug den knackigen Titel «Zukunftsorientierte Angebotsentwicklung für die Schneesportschule Samnaun unter Berücksichtigung der aktuellen Trends». Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeiten mit ähnlichen knackigen Titeln hat sie das Papier nicht in der Schublade versorgt, sondern in der Praxis umgesetzt und für ihre Arbeit das Prädikat «Beste Diplomarbeit» und die Note 6 erhalten.
Und wegen dieser Diplomarbeit gibt’s jetzt in Samnaun Angebote wie «Genuss-Skifahren mit Gustav», «Unterwegs auf unberührten Wegen» oder «Skitesten mit Experten». Beim ersten Angebot geben sich die Genuss-Skifahrenden in die Obhut des Skilehrers «Güst», der ihnen nicht nur perfekte Schwünge zeigt, sondern auch Restaurants mit tadelloser Marend und 1a-Essen. Unterwegs auf unberührten Wegen ist man auf Schneeschuhen mit kompetenten Vorläufer*innen. Bei den Skitests gehe es wirklich darum, die Gäste während ihres Tests zu unterstützen. Zum Beispiel mit Inputs, worauf sie beim Skitest überhaupt achten sollen, wie sie ihre Erfahrungen werten können und welchen Einfluss dies auf den Kauf eines neuen Skis hat.
Wie schon erwähnt, besteht das Jahr nicht nur aus Winter, auch wenn dieser in Samnaun locker von November bis Mai dauert. Doch dazwischen gibt’s noch so eine Art Frühling und dann den Sommer. Auch dann arbeitet Jasmin zwar im Büro der Skischule, stellt die Skilehrerinnen und Skilehrer für den nächsten Winter ein, pflegt und überarbeitet die Homepage und veröffentlicht dort die Kriterien samt Videos für die einzelnen Skiklassen. Denn die Erstauswahl erfolgt anhand dieser Filme und Kriterienkataloge, gemeinsames Vorfahren aller Kinder gibt es nicht mehr, da viel zu aufwendig.
In erster Linie aber ist sie im Sommer als Bikeguide unterwegs. Denn ja, sie leitet auch noch die Bikeschule Samnaun.
Begeisterte Bikerin
Zum Biken gekommen ist sie, weil sie in den Sommern der ersten Jahre in Samnaun nicht nur auf der Gemeindeverwaltung in Degersheim arbeitete, sondern beispielsweise auf dem Campingplatz Morteratsch in Pontresina. Dort hat sie praktisch jede freie Minute auf dem Bike verbracht und das Oberengadin auf dem Velo entdeckt. Weil sie nicht nur gut sein, sondern immer besser werden will, hat sie sich vom Mountainbike-Visionär Darco Cazin aus dem Münstertal die Bike Academy Davos als Ort zum Weiterkommen empfehlen lassen. Und sie kam dort unter und tatsächlich weiter.
2021 schrieb sich Samnaun auf den Plan, das Biken in der Gemeinde weiterzubringen und gründete dazu eine Projektgruppe. Jasmin Egli war mit dabei, als Bikekoordinatorin und als Leiterin der ersten Bikeschule Samnaun. Nichtsdestotrotz, dieses Jahr fährt Jasmin zum ersten Mal seit 2017 wieder in die Ferien. Eine Woche im Herbst in die Dolomiten. Klar, dass sie da auch die Augen offenhält und nach Innovationen guckt. Und klar auch, dass ihr Engagement, aber auch ihr Commitment zur Familie Zegg sehr gut ankommt. «Intelligent, fleissig, sozialkompetent» sind einige der Attribute, mit denen Firmenchef Olivier Zegg die St. Gallerin beschreibt. Hervorragend entwickelt habe sie sich ebenfalls, fügt er noch an.
Jasmin Egli freut sich über die Blumen, will sich aber nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Eher will sie ihr Wissen weiter vertiefen und sich Neues aneignen, weshalb sie sich noch zur Sportkoordinatorin und PR-Fachfrau ausbilden lassen und den Marketingfachausweis absolvieren will. Und nein, überfordert wirkt sie definitiv nicht.