Früher war das Leintuch, wie die Bettbezüge heute noch heissen, tatsächlich aus Leinen. Leinen oder Flachs nennt sich die Faser des Gemeinen Lein, einer Pflanze, die blau blüht und äusserst zähe Stängel besitzt. Früher war der Flachsanbau zur Fertigung von Tüchern im Val Müstair weitverbreitet. Die Fasern wurden tatsächlich für Leintücher, aber auch Kleider genutzt. Heute ist man im Val Müstair überzeugt, dass der Flachs/Lein auch in Zukunft noch viel Potential besitzt. Neben der Fasergewinnung zum Beispiel auch zur Lebensmittelproduktion, als natürlicher Bestandteil von Leichtwerkstoffen, aber auch zum Erhalt der Biodiversität.
Deshalb hat die Biosfera Val Müstair gemeinsam mit der Handweberei Tessanda und interessierten Bauern ein Projekt lanciert, das den Anbau und die Verarbeitung von heimischem Flachs zum Inhalt hat.
In diesem Jahr haben Janic Andrin Spinnler und seine Partnerin Maischa Joos dazu auf ihrem Hof erstmals rund eine Are Flachs versuchsweise angebaut. Den jungen Leuten ist es ein Anliegen, Flachs als wertvolles Produkt zu kultivieren und Produktionskreisläufe zu schliessen. Zudem fasziniert sie der Gedanke, ein altes Handwerk wieder neu zu beleben.
Ende September wurde der Flachs geerntet und in einer Scheune eingelagert. Dies, weil die Menge noch zu klein ist, um im grösseren Stil Gewebe und Textilien daraus zu produzieren. Auch die Qualität entspricht noch nicht ganz den gestellten Anforderungen, um den Flachs an die Organisation Swissflax GmbH zu liefern.
Nichtsdestotrotz geht der Versuch im nächsten Jahr weiter. Dann soll, wenn alles gut läuft, noch ein weiterer Bauer dazustossen, der ebenfalls eine Versuchsfläche anbaut. Und wer weiss, vielleicht gibt’s in einigen Jahren in der Tessanda in Sta. Maria tatsächlich wieder Leintücher oder Tischtücher aus Flachs aus dem Val Müstair zu kaufen.