Wer im Schweizerischen Nationalpark (SNP) unterwegs ist, kommt nicht an ihnen vorbei: Murmeltiere. Bei Wanderungen zur Alp Stabelchod, über den Murter-Stattel oder in die Val Trupchun sind sie omnipräsent. Bleibt der Gast für längere Zeit ruhig sitzen, rennen ihm besonders freche Tiere beinahe über die Füsse. So kann man die Lieblinge von Gross und Klein ganz nahe beim Fressen, Spielen und Flanieren beobachten.
Schlafen wie ein Murmeltier
Doch das Leben der Murmeltiere ist nicht immer so leicht, wie es auf den ersten Blick scheint. Im Winter haben die Tiere kaum Chancen, an Nahrung zu gelangen. Doch auch für dieses Problem hat sich die Evolution etwas einfallen lassen. Den Sommer hindurch fressen sie so viel wie möglich. Als besondere Leckereien gelten Blüten, Samen und Klee; alles Nahrung mit einem hohen Energiegehalt. Neigt sich der Sommer dem Ende zu, zieht sich die ganze Familie in eine grosse Kammer in ihrem Bau zurück, um zu schlafen. Die Körpertemperatur der Murmeltiere sinkt dabei bis auf etwa 6 °C ab und das Herz schlägt nur noch wenige Male pro Minute. So verbraucht die zusammengekuschelte Familie nur noch einen Bruchteil an Energie. Interessanterweise haben nicht alle Familienmitglieder die gleiche Körpertemperatur. Je älter ein Tier, desto höher die Temperatur. Bei Männchen ist sie noch eine Spur höher, als bei Weibchen. Die grösseren Tiere mit mehr Fettreserven wärmen also die kleinen, die noch nicht so viel Fleisch und Fett auf den Knochen haben.
Kühlschrank unter dem Boden
Je länger der Winter andauert, desto stärker kühlt der Murmeltierbau aus. Und das hat Folgen. Sinkt die Bautemperatur unter die Körpertemperatur, müssen die schlafenden Tiere ihren Kreislauf hochfahren, um die Körpertemperatur zu halten. Dadurch steigt auch der Energieverbrauch. Kommt dieser Zeitpunkt bereits früh im Winter, kann unter Umständen der Fettvorrat nicht reichen und die Tiere überleben den Winter nicht. Wann die Bautemperatur die kritische Schwelle unterschreitet, ist aber nicht primär von der Lufttemperatur abhängig, sondern vor allem von der Schneemenge. Schnee isoliert den Boden von der kalten Umgebungsluft und kann die Wärme so im Bau halten. Je früher sich im Winter die Schneedecke schliesst, desto langsamer fällt die Bautemperatur und desto länger hält der Fettvorrat der Murmeltiere.
Die Murmeltiere im SNP
Im SNP haben wir im Rahmen eines Murmeltierprojekts unter anderem untersucht, ob die Schneebedeckung einen Einfluss auf die Anzahl Murmeltiere hat. Und tatsächlich kommen im Schnitt mehr Murmeltiere in Gebieten vor, die im Herbst früh eingeschneit werden (Abb. 2a). Der Zeitpunkt der Schneeschmelze hingegen hat keine Auswirkungen (Abb. 2b), obwohl wir erwartet hätten, dass Murmeltiere Plätze bevorzugen, die früh schneefrei werden.
Auswirkungen des Klimawandels
Mit dem Klimawandel werden auch die Winter immer kürzer. Fehlt der Schnee im Frühwinter immer öfters, kann das zu einem Problem für die Murmeltiere werden. Eine mögliche Reaktion darauf ist, dass sich Murmeltiere in höhere Lagen zurückziehen werden. Jedoch können Murmeltiere nicht unendlich weit nach oben ausweichen. Die Analyse im SNP hat gezeigt, dass die wichtigste Umweltvariable die Menge an Wiesen in einem Territorium ist. Und diese nimmt mit zunehmender Höhe ab. Der Lebensraum für Murmeltiere könnte infolge der Erwärmung also schrumpfen. Die einzelnen Familien werden stärker isoliert und die Population in einem Gebiet nimmt ab. Es könnte aber auch ganz anders kommen. Wir vom Nationalpark werden die putzigen Tiere daher auf jeden Fall weiterhin gut im Auge behalten.