Ein geflügeltes Wort sagt, dass Genies das Chaos beherrschen, wieso also sollten wir Ordnung halten?
Das kann man sehen, wie man will. Allerdings ist es so, dass viele Leute überfordert sind mit ihrer Unordnung. Sie sehen nicht mehr darüber hinaus und verbringen jeden Tag viel Zeit mit dem Suchen verschiedenster Gegenstände. Deshalb ist es besser, wenn man aufräumt. Dann investiert man einmal Zeit ins Aufräumen und braucht dafür nachher keine Zeit mehr zum Suchen.
Lässt sich denn von der Ordnung einer Person auf deren Charakter schliessen?
Das kann man nicht gerade verallgemeinern, aber meistens ist es so, dass Leute, die eine Unordnung haben, auch sonst etwas ein Durcheinander haben.
Gibt es noch andere Beispiele?
Eine grosse Gruppe sind diejenigen, die denken, sie hätten keine Zeit, um Ordnung zu halten und deshalb alles auf den Boden werfen. Dafür müssen sie all die Dinge später wieder aufheben, was dann auch Zeit kostet. Oder es gibt Leute, die kaufsüchtig sind und schlussendlich so viel in ihrer Wohnung haben, dass der Platz knapp wird und deshalb Unordnung entsteht. Da sieht man zum Teil noch ungeöffnete Päckli in der Wohnung stehen. Oftmals kaufen Leute auch die Sachen, die sie schon haben nochmals neu, einfach, weil sie die anderen nicht mehr finden.
Ein Abbild unserer Konsumgesellschaft?
Ja, durchaus. Heutzutage hat man von allem zu viel, deshalb entsteht auch immer Unordnung.
Wenn einem die Unordnung über den Kopf wächst, kann man Sie anrufen und Sie kommen aufräumen?
Grundsätzlich schon, nur komm ich nicht nur zum Aufräumen.
Sondern?
Wenn ich einen Auftrag habe, muss ich mich zuerst mit der Person auseinandersetzen.
Ich versuche dann rauszufinden, weshalb die Unordnung überhaupt entsteht.
Dann habe ich verschiedene Angebote, das kann tatsächlich bedeuten, die ganze Wohnung aufzuräumen, den Keller auszumisten und aufzuräumen oder auch «nur» einen Schrank auszuräumen und wieder neu einzusortieren.
Wie räumt man denn richtig auf?
Das Wichtigste ist, dass man vor dem Aufräumen erst mal richtig ausmistet. Viele Leute wollen vor dem Aufräumen noch ein Gestell kaufen, damit sie mehr Platz für all ihre Dinge haben, doch das ist der falsche Ansatz.
Aber Ausmisten ist nicht ganz einfach?
Ja, das stimmt. Denn das Schwierige dabei ist, sich von Dingen zu trennen.
Und wie trennt man sich am besten?
Indem man jedes einzelne Stück anschaut und sich fragt, weshalb man es noch besitzt. Ist es, weil man es liebt, weil es einem immer noch sehr gut gefällt, dann kann man es gut behalten. Ist es jedoch kaputt, wirft man es besser weg. Genauso wie Dinge, die einem nicht gefallen oder die man mal geschenkt bekommen hat und sich deshalb nicht traut, diese wegzugeben. Zum Beispiel den Pulli, den mir die Schwiegermutter geschenkt hat. Und natürlich muss man sich auch immer fragen, ob man die Dinge noch braucht.
Stichwort «zwei Jahre nicht gebraucht», also weg?
Die Variante mit dem «zwei Jahre nicht gebraucht, also weg» trifft nicht für alles zu. Es gibt durchaus Dinge, die man mal zwei Jahre lang nicht gebraucht hat, dann aber wieder verwenden kann. Beispielsweise Jacken für die Übergangszeit, da kommt es auch etwas darauf an, wie die Übergangszeit ausfällt, also wie kalt oder warm Herbst oder Frühling werden.
Schmerzt denn die Trennung nicht?
Nein, im Gegenteil, diese kann auch sehr befreiend wirken, schliesslich hat man sich dann auch von Ballast getrennt.
Aber ich bin jetzt auch nicht die, welche die Lehre des Minimalismus vertritt, also, dass man mit möglichst wenigen Dingen auskommt.
Dann hat man mal aufgeräumt, wie hält man danach die Ordnung bei?
Wichtig ist, dass jedes Ding seinen Platz hat. Wenn man alles immer wieder dorthin zurückstellt, wo es vorher gewesen ist, entsteht gar nie eine grosse Unordnung.
Stellt man die Dinge nicht an ihren Ort zurück, entsteht Unordnung, und es wird so quasi der rote Faden im Ablauf und der Anordnung aller Dinge in einer Wohnung gestört, es kommt alles durcheinander.
Wichtig ist auch die Disziplin beim Einkaufen. Vor jedem Kauf sollte man sich fragen, ob man das wirklich braucht und am besten wirft man für jeden Einkauf etwas weg, das man schon besessen hat.
Auch sollte man nie denken, dass man keine Zeit fürs Aufräumen und Versorgen hat. Dafür sollte man sich unbedingt Zeit nehmen, sonst rächt sich das später.
Waren Sie schon immer ordentlich, oder wie hat Ihr Teeniezimmer ausgesehen?
Da war auch ein Durcheinander, das gebe ich zu. Als ich jeweils von meiner Arbeit in Italien heimgekommen bin, hätte ich die Taschen ewig stehen lassen, hat mir meine Mutter kürzlich wieder erzählt.
Wie kamen Sie denn auf den Pfad der Ordnung?
Zur Ordnung bin ich nach der Lehre durch meine Tätigkeiten in der Gastronomie und der Hotellerie gekommen. Als ich auf La Motta arbeitete, habe ich auch ein Team geführt, und da ist Ordnung besonders wichtig. Denn wenn man nicht ständig aufräumt und die Dinge an ihren Platz zurückstellt, hat's irgendwann zu wenig Platz für alles.
Später habe ich die Ausbildung zur Housekeeperin, früher Gouvernante gemacht, und da war Ordnung halten natürlich ein zentraler Punkt.
Bei meinem Lehrgang zum Ordnungscoach wurde der Schwerpunkt eher auf den psychologischen Aspekt gelegt. Also darauf, warum die Leute es nicht schaffen, Ordnung zu halten. Oder wie ich sie dazu bringe, sich von Dingen zu trennen.
Aber schafft eine leichte Unordnung nicht auch etwas Atmosphäre, während aufgeräumte Wohnungen steril wirken?
Das glaube ich nicht. Kommt dazu, dass einfach mehr Zeit für anderes bleibt, wenn man Ordnung hat. Dann braucht man nicht die ganze Zeit Dinge zu suchen oder gar wieder neu zu kaufen, weil man es nicht mehr findet.
Also macht aufräumen und Ordnung halten glücklich?
Ja, es befreit durchaus, die Leute fühlen sich danach erleichtert. Um dies noch etwas zu unterstützen, mache ich immer Vorher-Nachher-Fotos.
Nadia Potenza hat Hotelfachassistentin mit Schwerpunkt Housekeeping gelernt und erst kürzlich den Lehrgang zum Ordnungscoach abgeschlossen. Allerdings räumt sie nicht einfach Wohnungen auf, sondern hilft und unterstützt die Leute beim Aufräumen. ordnungleichtgemacht.com