Es trifft vor allem engagierte und produktive Menschen, die an sich selbst und an ihr Umfeld hohe Erwartungen stellen. Betroffen sind Berufe, die sich um Menschen kümmern oder viele Kundenkontakte haben – wie Ärzte, Pflege- und Betreuungspersonal, Polizisten, Sozialarbeiter, Rechtsanwälte oder Lehrer. Extrem anfällig für ein Burnout sind Frauen, die Doppelbelastungen ausgesetzt sind. Beruf, Kinder, Haushalt müssen bewältigt werden, und Frauen wollen es allen recht machen. «Im Hintergrund stehen immer die Erwartungen, die man an sich selbst hat. Es wird viel investiert, jedoch bekommt man selten Rückmeldung und Bestätigung», erklärt Melitta Breznik. Sie ist Leitende Ärztin Integrative & Komplementäre Medizin sowie Fachärztin Psychiatrie & Psychotherapie FMH am Center da sandà Engiadina Bassa (CSEB).
Ein Gefühl der Leere
Idealismus, Verantwortungsbewusstsein, Perfektionsstreben, Zwanghaftigkeit sowie der Wunsch, alles selbst machen zu wollen, gehören zu den Risikofaktoren. Doch auch eine schlechte Ausbildung und die fehlende Fähigkeit, sich selbst und anderen Grenzen zu setzen, können zu einer Erschöpfung beitragen. Weitere Faktoren sind eine stetig stärkere Arbeitsbelastung, zu unpersönliche Kontakte, die fehlende Möglichkeit, sich selbst und seine Ideen in den Arbeitsablauf mit einzubringen. Auch mangelnde Anerkennung durch den Chef oder durch die Kollegen können einen schneller ausbrennen lassen. «Eine weitere Rolle spielt hier auch Einsamkeit, wenn man sich nicht mit anderen über die Arbeit und seine Sorgen austauschen kann, oder es gar keinen Grund gibt, sich von der Arbeit abzugrenzen, weil Alternativen in der Freizeit fehlen», sagt Breznik. Es beginnen körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, man kann sich nicht mehr entspannen. Ein Gefühl der Sinnlosigkeit und Leere taucht auf, man fühlt sich nicht mehr zugehörig zur Umwelt, bis zuletzt sogar Selbstmordgedanken auftauchen.
Entspannung und Erholung
«Nach Ausbruch der Erkrankung spielen ausreichende Erholungsphasen, ein gesunder Lebenswandel und gezielte Entspannungstechniken eine entscheidende Rolle», sagt Breznik. Die Betroffenen müssen lernen, «Nein» zu sagen, ohne sich dabei schuldig zu fühlen, oder das Gefühl zu entwickeln, versagt zu haben. Ausserdem geht es laut der Fachärztin darum, berufliche Ziele realistisch einzuschätzen, Überforderungen schnell zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken und das Arbeitspensum auf einem verträglichen Level zu halten. «Häufig steckt eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung hinter den Anzeichen des ‹Ausgebranntseins›», weiss Breznik. In Zeiten von Corona gelte für die Betroffenen umso mehr, gut für sich zu sorgen. Die Behandlung des Burnout ist keine kurzfristige Massnahme. «Sie dient dazu, langfristig die Lebensgewohnheiten und die Selbsteinschätzung des Betroffenen zu verändern und Bewältigungsstrategien für den Alltag zu vermitteln», hält Breznik abschliessend fest.