Da müht man sich als Zugezogener im romanischen Sprachgebiet und der wunderbaren Sprache Unkundiger jahrelang in ebendieser Beziehung ab. Man besucht Einzelstunden, Romanischkurse, ackert gefühlt alle Bände von Lingia Directa durch, betreibt mit den Einheimischen munter Konversation im realen Leben und all das nur, weil man einige Jahre zu früh dran ist.
Etwa 20 Jahre zu früh dran, in meinem Fall genauer gesagt. Denn jetzt hat RTR ein Übersetzungstool für Romanisch entwickelt. Das heisst, entwickelt hat es eigentlich TextShuttle, in enger Zusammenarbeit mit RTR. TextShuttle ist ein Spin-off der Universität Zürich und hat sich auf die maschinelle respektive automatische Übersetzung von Texten spezialisiert. Dabei werden modernste Technologien und vorhandene Sprachressourcen genutzt.
RTR und TextShuttle starteten erst eine Testphase, während derer sie sich intensiv mit der Übersetzung vom Romanischen ins Deutsche befasst haben. Durchaus erfolgreich, wie sich zeigte, denn der Computer respektive dessen künstliche Intelligenz erkannte alle Idiome und Rumantsch Grischun als Ausgangssprache. So weit, so gut. Geht es aber darum, eine andere Sprache, sprich Deutsch, Französisch, Italienisch oder Englisch auf Romanisch zu übersetzen, so erscheint der romanische Text – jetzt müssen die Mitglieder von Pro Idioms ganz stark sein – in Rumantsch Grischun. Im Gegensatz aber zu zweitklassigen Übersetzungsprogrammen, wie sie beispielsweise in den sozialen Medien gang und gäbe sind, produziert das Tool keine Nonsenstexte. Die Übersetzungen stimmen haargenau, soweit ich das mit meinen Rumantsch-Grischun-Kenntnissen beurteilen kann. Eindrücklich auch, dass die Übersetzung respektive der romanische Text simultan mitläuft. Dabei lässt sich das System auch nicht von Schreibfehlern irritieren, sondern übersetzt knallhart und richtig. So zum Beispiel den Satz: «Am Morgen früh mussk it ufstehen» in «La damaun marvegl ston ins levar». «Maximum respect» sag ich da nur.
Romanisch für alle
Doch nicht nur des Romanischen nur halbwegs Kundige wie zugezogene Unterländer freuen sich über das neue Tool, sondern auch Nicolas Pernet, seines Zeichens Direktor von RTR. Denn er will dem Publikum einen Mehrwert bieten, was mit dieser Technologie nun auch möglich ist. Denn jetzt ist es relativ einfach, Sendungen zu untertiteln, womit die Reichweite und das Verständnis von RTR um ein Mehrfaches steigen dürfte. Doch der Direktor denkt nicht nur an seinen eigenen Betrieb, sondern weiter. Er kann sich gut vorstellen, diese Technologie der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, woran sein Unternehmen gemeinsam mit TextShuttle arbeite. Davon könnten dann nicht mehr nur Privatpersonen, sondern auch viele Gemeinden profitieren. Und ja, das entwickelte System beruht auf künstlicher Intelligenz. Dem Sprachmodell wurden während Wochen immer wieder bestehende Übersetzungen gezeigt, und im Gegensatz zur natürlichen Intelligenz kann sich der Computer die Übersetzungen eben merken und vergisst sie nie mehr. So erweitert er sein Wissen täglich und stündlich und kann immer mehr und immer besser übersetzen.
Korrekturprogramm aus Zernez
Wo wir doch vorhin kurz bei den Gemeinden waren, die von diesem Tool profitieren könnten, so gilt es zu sagen, dass die Gemeinden, und vor allem die Gemeinde Zernez, schon heute profitieren können. Die Gemeinde Zernez als Erstes von Gion Tscharner, der praktischerweise gegenüber der Gemeindeverwaltung wohnt. Tscharner ist Redaktur und Verfasser des Dicziunari Rumantsch im Idiom Vallader und also ausgewiesener Kenner der romanischen Sprache. Deshalb war schnell klar, an wen sich die Leute auf der Gemeindeverwaltung in Zernez wenden konnten mit ihrer neuen Idee. Denn Riet Felix und Corsin Scandella kamen auf die Idee, ein Korrekturprogramm im Idiom Vallader zu entwickeln. Wobei entwickeln vielleicht etwas hoch gegriffen ist. Zumindest Felix wehrt in aller Bescheidenheit ab. Jedes Korrekturprogramm sei mit der Möglichkeit ausgestattet, neue Wörter aufzunehmen. Diese Möglichkeit machte er sich, gemeinsam mit Gion Tscharner, zu eigen. Dem Romanisch-Sachverständigen oblag es dabei, sämtliche im Idiom Vallader bekannten Wörter zusammenzutragen. Bei den Verben genügte der Infinitiv nicht, es war jede einzelne Person in allen möglichen Zeiten vonnöten. Und Tscharner füllte diese mit unermüdlicher Geduld und nie nachlassender Präzision in stunden- ja wochenlanger Kleinarbeit in Excel-Tabellen ab. Diese speiste dann Riet Felix ins Korrekturprogramm ein. Er testete das Ganze immer wieder, füllte neue Wörter ab, bis schliesslich alles fürs Erste komplett war. Allerdings ist das Ganze nie komplett, sondern im stetigen Wandel begriffen, oder eher stetigen Wachstum, gefördert von natürlicher Intelligenz respektive natürlichem Fleiss.
Und auch dieses System ist gedacht für die breite Öffentlichkeit. Bereits in mehreren Gemeindeverwaltungen laufe dieses Korrekturprogramm, sagt Riet Felix. In einigen Schulen würde das Programm – auch von den Lehrpersonen – ebenfalls eingesetzt, erklärt Felix dem darob etwas erstaunten Schreibenden.
Doch trotz allen Erleichterungen: Selbstverständlich ist es immer noch besser, wenn man die Sprache von Grund auf erlernt. Also in Einzelstunden, im Klassenunterricht, mit Lehrmitteln und durch muntere Konversation auf der Strasse. Überprüfen kann man das Gelernte dann mit den beiden elektronischen Helferchen.
Hier geht’s zum Übersetzungstool: try.rumants.ch
Das Korrekturprogramm gibt's unter folgender Adresse:
pledari@bluewin.ch