Sie produziert Musicals, komponiert eigene Songs, spielte mit dem Sinfonieorchester San Francisco, arrangiert jüdische Lieder aus dem KZ fürs Orchester, organisiert einheimische Bandauftritte, ist ihre eigene Managerin und schwingt sich zwischendurch auch noch aufs Snowboard. Langeweile dürfte im Leben der Scuolerin Cinzia Regensburger nicht aufkommen, denn selbstverständlich ist die obige Aufzählung nicht abschliessend. Versuchen wir also, die verschiedenen Projekte und Tätigkeiten der jungen Musikerin etwas aufzudröseln und uns einen Überblick über ihr Leben zu verschaffen.
Geschenkter Flügel
Der Beginn respektive der Grundstein ihrer Musikkarriere nimmt sich dabei fast wie eine Szene aus einem Märchen aus. Im Val Müstair, wo sie bis zu ihrem zehnten Lebensjahr aufgewachsen ist, habe sie als siebenjähriges Mädchen eine Musikprofessorin kennengelernt. Diese habe ihr dann einen Flügel geschenkt, also konnte sie eigentlich gar nicht mehr anders, als Musikerin zu werden. Dazu beigetragen habe aber sicher auch, dass ihre Eltern zu Hause immer gesungen hätten, nicht nur Schlaflieder, sondern auch sonst, erwähnt sie schmunzelnd. Nichtsdestotrotz war der Weg zur Musikerin noch lange.
Unter anderem führte sie dieser zu einem Projekt, welches sie stark bewegt hat, auch weil es durchaus starker Tobak ist. Und das kam so: Letzten Sommer durfte sie drei Monate als Artist in Residence beim Golden Gate Symphony Orchestra in San Francisco mitspielen. Dirigent ist dort Urs Leonhardt Steiner, ein Mann mit Wurzeln in Scuol. Erzählt sie von den Konzerten, beginnen ihre Augen zu leuchten und die Arme zu rudern. Der Wahnsinn sei das, wenn sie am Flügel plötzlich von 80 Musiker*innen unterstützt werde. Ganz anders sei das Spiel, als wenn sie zu Hause übe oder Solokonzerte spiele. «Ich muss auf die Musiker*innen eingehen, mitgehen, die Crescendi mitmachen, allfällige Temposchwankungen aufnehmen. Ich lebe viel mehr in der Musik, als wenn ich alleine spielen würde», beschreibt sie ihr Erlebnis.
Lieder aus dem Konzentrationslager
Sie hat nicht nur gespielt, sondern auch arrangiert – jüdische Lieder, die in den Konzentrationslagern entstanden sind – auch das, der Wahnsinn. Die Lieder arrangierte Regensburger für das Orchester. Denn die Ursprungsversion bestand lediglich aus einer Gesangs- und einer Begleitstimme. Doch bei der Aufführung der Lieder konnte sie nicht dabei sein – sie bekam kein Visum für die Einreise in die USA. Es sei immer noch in Bearbeitung, ergänzt sie augenrollend. Das Orchester aber trat im Rahmen des «Holocaust-Awareness-Programms» in verschiedensten Konzertsälen, Schulen oder anderen kulturellen Einrichtungen auf. Die Arbeit an diesen Liedern sei für Cinzia sehr intensiv gewesen, sagt sie. Und es entsteht daraus bereits das nächste Projekt respektive die nächste Arbeit. Im Juni 2024 kommt das Golden Gate Orchestra nach Scuol und führt in der Eishalle Gurlaina einige Male Beethovens 9. Symphonie auf. Dies gemeinsam mit einem 150-köpfigen Chor. Deshalb weibelt Cinzia Regensburger gegenwärtig von Chor zu Chor, um Sängerinnen und Sänger zu rekrutieren. Wer Interesse hat, kann sich direkt bei ihr melden.
Spielen nach Gehör
Regensburger musiziert nicht nur im grossen Stil und mit Orchester, sondern ab und an auch alleine. Solo und konzertant oder manchmal auch als Human-Jukebox, so in San Francisco oder auch schon im Hotel Belvedere in Scuol. Dabei kommt ihr eine Fähigkeit zugute, die sie lange pflegte und sich so quasi durchmogelte. «Ich spielte alles nach Gehör, denn ich konnte gar keine Noten lesen», gesteht sie. So bat sie ihre Lehrer*innen, das Stück vorzuspielen, merkte sich dieses und übte es schliesslich ein. Erst in der Musikmittelschule in Schiers und später dann beim Bachelorlehrgang am Voralberger Landeskonservatorium Feldkirch, welches mit dem Mozarteum in Salzburg zusammenarbeitet, kniete sie sich tief in die Notenlinien und lernte schliesslich auch «ab Blatt» zu spielen und zu singen.
Doch Regensburger spielt nicht nur, sondern organisiert auch – zum Beispiel Musicals. Darunter eine Burlesque-Show und ein 80er-Jahre-Musical. Das sei eigentlich die Musik, die ihr am besten gefalle und die sie auch oft höre, diejenige aus den 80ern. Hingegen sei sie bei heutigen Produktionen sehr kritisch. Höre sie keine richtigen Instrumente, schalte sie das Radio gleich wieder aus.
Damit nicht nur sie, sondern auch andere mehr richtige Instrumente zu hören bekommen, hat sie «Viva la Musica» ins Leben gerufen. Dabei sucht sie einheimische Bands und vermittelt ihnen Auftrittsmöglichkeiten in der Region. Es gäbe viele Bands in der Gegend, hat sie festgestellt. Doch wenn irgendwo ein Fest stattfinde, würden die Organisator*innen lieber eine Kapelle aus dem Tirol verpflichten. Die nächste Veranstaltung findet am 16. Dezember im «Scuol Palace» statt und mit von der Partie ist auch der Kinderchor Scuol.
Spielen vor Tausenden von Leuten
Aber auch Cinzia selber sucht immer wieder nach Auftrittsmöglichkeiten. Ihr Traum wäre es, dereinst vor Tausenden von Leuten zu spielen, verkündet sie mit glänzenden Augen. Deshalb ist sie, die bis jetzt alles selber macht, auf der Suche nach einem Management, das ihr die Türen dorthin öffnen könnte. Zwei Plattenaufnahmen kann sie dabei als Referenz vorweisen. Die letzte stammt von diesem Frühling und heisst «In Movimaint».
Am liebsten tun würde sie das in Begleitung einer Swing-Pop-Band; der Musik, die sie am liebsten mag und spielt. Dabei helfen kann ihr sicher die Qualifikation für das Finale von BandxOst von Ende November 2023, einem Musikwettbewerb von Bands aus der Ostschweiz. Sie klassierte sich dort zwar nicht auf dem Podest, hofft aber dennoch weiterhin auf Ruhm, Ehre und die grosse Bühne. Zeit dafür nimmt sie sich selbstverständlich.