Überreste der Siedlung Ausagna zwischen Guarda und Bos-cha. Heisst hier irgendwo dürfte die Quelle entsprungen sein.
Überreste der Siedlung Ausagna zwischen Guarda und Bos-cha. Heisst hier irgendwo dürfte die Quelle entsprungen sein. © Jürg Wirth

Vom Verschwinden von Auasagna

Jürg Wirth Es scheint mehr als ein Gerücht zu sein, dass es zwischen Guarda und Bos-cha eine warme Quelle gibt. Doch wo soll sie sein und weshalb existiert der Weiler nicht mehr?

Es scheint eines der letzten Mysterien in unserer doch so rationalen Welt zu sein. Denn fragt man Leute danach, lauten die Antworten beispielsweise so: «Die Quelle liegt dort, etwas unterhalb des leichten Grabens in der Strasse.» «Das muss irgendwo dort drüben sein, dort hat es immer so viel Wasser.» Die Frage, welcher die eher offen gehaltenen Antworten galten, war diejenige nach der Quelle von Auasagna. Denn dass es diese gibt oder gegeben hat, das wissen noch viele Leute. 

So hat sie Ulrich Campell in «Das Alpine Rätien, Topographische Beschreibung von 1573» tatsächlich noch gesehen und eben beschrieben. Zudem schreibt er nicht nur von einer Quelle, sondern gar von einem zugehörigen Weiler. Dieser liege in einer Senke zwischen Guarda und Bos-cha am Fusse eines Lärchenwäldchens. Aus einem dieser Häuser fliesse eine Quelle, die im Sommer eiskalt und im Winter dagegen lauwarm sei. Die Ortsbewohner würden diese als ausnehmend gesund empfehlen. Heute gibt es zwar noch die Senke zwischen Guarda und Bos-cha und auch den Lärchenwald, der Weiler aber ist verschwunden und die Quelle eigentlich auch. Was ist passiert? Dieser Frage hat sich Andri Franziscus, bekannt aus Funk und Fernsehen und Gastgeber in der Guarda Lodge anlässlich seiner Patent- oder Maturaarbeit in den späten 80ern gewidmet.

Für das Verschwinden des Weilers macht er den obersten Baldirun und die Pest verantwortlich. Baldirun, berüchtigt als ruchloser und brutaler österreichischer Kriegsfürst, legte bekanntlich das Unterengadin zweimal in Schutt und Asche, das zweite Mal im Jahre 1622. Als ob dies nicht genug gewesen wäre, wütete auch noch die Pest und raffte viele Menschen dahin. In Auasagna waren es zu viele, sodass die Überlebenden beschlossen, den Weiler nicht mehr aufzubauen. Die Quelle aber, so hat Franziscus herausgefunden, sprudelte noch länger. Und dies in ausgezeichneter Qualität, sei sie doch in einer Reihe mit so berühmten Heilquellen wie Alvaneu, Bormio oder Scuol gestanden. Verschwunden sei die Quelle erst im Jahre 1913, nämlich mit dem Bau des Magnacun-Tunnels, unterhalb von Auasagna. Was aber heute im Winter noch zu sehen sei, ist in diesem Gebiet ein rund acht Quadratmeter grosser und einige kleinere Flecken, auf denen der Schnee immer schnell schmilzt als rundherum. Je tiefer die Temperatur, desto grösser die Flecken, bestätigte ihm damals Ottilia Schlegel aus Bos-cha. Und dies sollte auch heute noch zu sehen sein.

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