Fast 8000 Schütz*innen dürften während des Monats Juni in die Bündner Südtäler pilgern, schätzt Ueli Krebs. Dabei sind die Schiessenden nicht auf der Suche nach Sonne, Zerstreuung und neuen Wanderrouten – jedenfalls kaum in erster Linie, sondern sie alle nehmen am Bündner Kantonalschützenfest teil. Ueli Krebs seinerseits ist Präsident der Società da tregants Sent, also des Schützenvereins Sent und Mitorganisator des Grossanlasses. Allerdings kann er noch lange organisieren; wenn die freiwilligen Helfer*innen ausbleiben, hilft alles nichts. Pro Tag bräuchten sie jeweils 25 Helfer*innen, das gibt auf 10 Tage hochgerechnet summa summarum 250 Helfende. Hochgerechnet auf alle Schiessstände und angesichts der Tatsache, dass noch andere Aufgaben anfallen, gibt das eine ganze Menge, von der ein Teil immer noch gesucht wird.
Selber mit Schiessen begonnen hat der gebürtige Emmentaler bereits im Jahre 1967 als Jungschütze. 1978, als er nach Sent zog, suchte er Anschluss in einem Verein und landete beim Schützenverein. Seit 1989 präsidiert er diesen auch, möchte aber nach dem Kantonalen definitiv abgeben.
Viele Orte
Anders als bei anderen Austragungen finden die Wettkämpfe nicht nur an einem Ort statt, sondern sind über ganz Südbünden verteilt. 15 Schiessstände stehen den Sportler*innen zur Verfügung. Ja, Schiessen ist tatsächlich ein Sport, auch wenn das Gesellige und die Kameradschaft dabei nicht zu kurz kommen dürfen. Auch wegen dieser Aspekte hat Krebs einst den Schiesssport gewählt und genau deshalb ist er ihm immer noch treu.
Drei Austragungsorte liegen im Misox, drei im Puschlav und der Rest im Oberengadin, Unterengadin, Val Müstair und in Samnaun. Für die obligatorische Waffenkontrolle ist die Auswahl aus organisatorischen Gründen bedeutend kleiner. Kontrollieren kann man die Waffen in San Vittore im Misox und in Zuoz in der Plaiv. Dies seien die Gründe gewesen, weshalb diese Orte am schnellsten ausgebucht gewesen seien, vermutet Krebs. Zur Sportgerätekontrolle müssen alle Schützen und Schützinnen – die Zukunft des Bündner Schiesssports sei weiblich, titelte unlängst eine grosse Bündner Tageszeitung, deshalb auch die explizite Erwähnung. Allerdings relativiert Ueli Krebs etwas respektive ordnet ein: Beim Wettkampfsport mit Kleinkaliber und Luftgewehr sei der Frauenanteil bedeutend höher, hat er festgestellt. Im 300-Meter-Schiessen, um das es beim Schützenfest primär gehe respektive in ihrem Verein, liege der Anteil der Schützinnen bei rund 10 Prozent. Tatsächlich müssen alle Schütz*innen sich vorgängig einen Schiessstand reservieren. Wie weit da auch nach touristischen Gesichtspunkten ausgewählt wird, lässt sich leider nicht nachvollziehen. Tatsache ist aber, dass Mitte April bereits 90 Prozent der Schiessplätze ausgebucht waren. Dies natürlich auch, weil die Schütz*innen aus der ganzen Schweiz anreisen, es sind ja schliesslich keine reinen Bündner Meisterschaften.
Faszinierender Sport
Schiessen ist also nach wie vor beliebt, doch was macht die Faszination dieses Sportes aus, Ueli Krebs? «Ich liebe die Konzentration beim Schiessen und in mir wohnt der Wille, ein gutes Resultat zu erzielen. Denn gute Resultate machen mir grosse Freude.» Grosse Freude machen Ueli Krebs aber auch die Kameradschaft und das Zusammensein mit Gleichgesinnten. Frohlocken konnte er im Laufe seiner langen Karriere aber auch über gute Resultate. So gewann er 1985 am Eidgenössischen Schützenfest in Chur die Meisterschaft und erreichte beim Feldschiessen dreimal das Punktemaximum. Das sind 72 Punkte, geschossen noch auf die traditionelle Vierer-Scheibe. Doch mittlerweile werden die Wettkämpfe nur noch auf die Zehner-Scheibe ausgetragen und nicht auf der Vierer oder Fünfer. So sei eine ausgeglichenere Bewertung und Rangierung möglich, findet Ueli Krebs.
Das Trefferfeld auf der Zehner-Scheibe weist einen Durchmesser von einem Meter auf, «das Schwarze» misst 60 Zentimeter im Durchmesser und der Zehner ist gerade noch so gross wie ein Bierdeckel, nämlich zehn Zentimeter im Durchmesser. Der 100er schliesslich auf der 100er-Scheibe ist fast ein Staubkorn, heisst ein Zentimeter.
Doch auch im Team, also mit dem Schützenverein Sent, der heute 80 Mitglieder zählt, hat Ueli schon einige Erfolge errungen. Zweimal seien sie Schweizermeister in der Gruppe geworden und einmal Schweizermeister bei der Jugend, dort war dann Krebs aber nicht dabei.
Knien oder liegen
Früher habe er oft die Zweistellungs-Matches mitgemacht, das heisst kniend und liegend. Heute beschränkt er sich auf die liegenden Austragungen. Krebs zählt mittlerweile 74 Lenze, findet aber, dass man auch im Alter noch gut schiessen könne, wenn die Augen mitmachten. Kraft- oder Konditionstraining betreibt er eher sparsam, Biken aber tue er, und das sei gut für die Puste. Schliesslich müsse man beim Schiessen respektive vor der Schussabgabe den Atem anhalten, damit man den Schuss nicht verreisse.
Selbstredend, dass Krebs selber auch am Kantonalen mitmacht. Das tun er und seine Kolleg*innen auch, wenn dieses nicht gerade in der Gegend stattfindet. So würden sie jedes Jahr an andere Orte in der Schweiz reisen, um dem Schiesssport zu frönen. Also ganz so wie all die Schütz*innen, welche im Juni in die hiesige Gegend reisen.