Der erste, der damit begann, Hausabfall einzusammeln, war Reto Crüzer aus Scuol. 1980 bewarb er sich bei der Gemeinde Tarasp um den Abfalltransport. Bis dahin deponierten diese ihren Müll am Eingang zum Val Tasna und verbrannten ihn dort. Crüzer führte ab dem 1. August 1980 den Müll von Tarasp nach Scuol auf die Deponie Sot Ruinas, unterhalb des Langlaufzentrums. Rasch wurden die anderen Unterengadiner Gemeinden auf das neue Abfallwesen aufmerksam und beauftragten den Unternehmner ebenfalls mit dem Transport nach Scuol. Der Abfall kam auf die Deponie, dazwischen ab und an eine Schicht Erde. Deponien seien damals üblich gewesen, erinnert sich Crüzer und auch daran, wie er als Kind auf der Deponie Ratten geschossen habe.
Regionale Abfallsammlung
Mitte der 80er-Jahre machte sich die frisch gegründete Pro Engiadina Bassa (PEB) daran, die Abfallentsorgung oder -deponierung für die ganze Region zu organisieren und schrieb den Auftrag aus. Das Interesse war gross, 17 Unternehmen bewarben sich darum. Crüzer selbstverständlich auch. Er landete genau in der Mitte mit seiner Offerte, hatte aber im damaligen Gemeindepräsidenten Not Carl einen starken Fürsprecher und erhielt den Zuschlag.
Darauf kniete sich Crüzer rein in den Abfall respektive in die Thematik und ins Geschäft. Er sass in einer Fachkommission des Schweizer Nutzfahrzeugverbandes ASTAG, weilte oft im Unterland und sah jeweils, was abfalltechnisch aufs Engadin zukommen würde. Ob da der «Kompakter» auch dazu gehörte, ist nicht mehr genau zu eruieren. Jedenfalls kaufte den die PEB, um damit den Abfall auf der Deponie Sot Ruinas einzuwalzen. Trotzdem wurde die Deponie dann aufgegeben, auch diejenige in Pra Dadora zwischen Martina und Vinadi wurde geschlossen und darauf der Abfall nach Bever auf die Deponie Sass Grond gebracht, dies bis in die 90er-Jahre.
Crüzer begann damit, den Abfall auf Container zu verladen und diese mit der Bahn nach Trimmis in die Kehrichtverbrennungsanlage zu schicken. Dank einem speziellen Hakensystem, wie Crüzer es nennt, konnte er die Container vom Last- auf den Bahnwagen laden. Nichtsdestotrotz musste er sich immer wieder um den Auftrag bewerben und sich auch gegen Konkurrenz durchsetzen. Einmal rekurrierte ein unterlegener Mitbewerber gegen die Vergabe an Crüzer bis vor Bundesgericht, unterlag jedoch.
Auch Sonderabfälle
Crüzer kümmerte sich nicht nur um den Haushaltskehricht, sondern um Abfälle aller Art, sprich auch um Sonderabfälle. Dazu erarbeitete er in den 90er-Jahren gemeinsam mit dem Chemiker Rafael Canal ein Konzept. Daraufhin begann er, giftige und spezielle Abfälle beispielsweise aus Arztpraxen und Spitälern einzusammeln und der fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Die Sonderabfälle des Unispitals brachte er zum Hochtemperaturofen in Dottikon und auch die Altöle von Mc Donalds hat er schon gesammelt. Noch heute hat das Unternehmen die Lizenz, um über 100 verschiedene Sonderabfälle entgegenzunehmen, beispielsweise feste Salze und Lösungen, diverse Hydrauliköle, Lösungsmittel, Säuren, Laugen usw.
Auch den Kehricht des Unterengadins sammelt Crüzer immer noch ein. Das sind im Jahr rund 2'300 Tonnen Kehricht, etwa 650 Tonnen Flaschenglas, 460 Tonnen Karton und etwa 430 Tonnen Papier. In Scuol betreibt das Unternehmen eine Entsorgungsstation für Sperrgut, Holz, Alteisen, Altreifen, Weissblech/Aluminiun, PET-Flaschen, Elektroschrott, alte Fahrzeuge, Küchenabfälle, Speisefette, Bauschutt etc. Bislang befindet sich die Sammelstelle noch in Manaröl zwischen der Denner-Filiale und der Garage Fratschöl, im Laufe des kommenden Jahres soll dann aber die neue Entsorgungshalle auf der ehemaligen Deponie Sot Ruinas bereit sein.
Bauschuttrecycling in Zernez
In Zernez übernimmt die Engiadina Recycling das Geschäft mit dem Abfall respektive den wiederverwertbaren Materialien. Aufgebaut hat dieses Otto Depeder zusammen mit seiner Frau Jordana. Mittlerweile sind auch die Söhne Mirko und Ramon im Geschäft aktiv. Begonnen hat Depeder mit Bauschutt-Recycling als erster im Tal 1991. Darauf gekommen sei er, als er im Unterland arbeitete und ihn sein damaliger Chef fragte, wer im Engadin denn Bauschutt rezikliere. «Niemand», wusste Otto, worauf der Chef insistierte und Otto auf die Idee brachte, diesen Betrieb aufzubauen, was Depeder dann auch schleunigst tat. 1991 sei dies gewesen, just zur Bauzeit des Vereinatunnels. Da hätten alle mitmachen wollen, doch ihn habe eine längerfristige Lösung interessiert, begründet Depeder seinen Schritt hin zum Recycling. Erst hätten alle gelacht, jetzt versuchten ihn immer mehr zu kopieren, fasst er zusammen. Die erste Anlage von Depeder stand bei der Punt nova zwischen Zernez und Brail. Als sie diesen Ort aufgeben mussten, konnten sie von den Guidon-Brüdern das Stück Land kaufen, auf dem sie heute noch aktiv sind. Dort hat sich die Engiadina Recycling vollends auf Bauschutt-Recycling spezialisiert. Wiederaufbereiteter Beton lande im Strassenkoffer und nächstes Jahr wieder im Beton, dann baue nämlich die Sosa Gera SA eine neue Anlage, die das möglich mache, sagt Depeder. Zerkleinerter Strassenbelag geht zu Catram zum wieder Einschmelzen, Holz nach Zürich in ein Biomassekraftwerk, das Strom produziert und der Rest landet in der Kehrichtverbrennungsanlage in Untervaz. Denn mittlerweile nimmt Engiadina Recycling nebst Bauschutt auch Holz, Sperrmüll, Elektroschrott oder Plastik entgegen. Tatsächlich sei er ein bisschen grün, lacht Depeder, schliesslich müsse das heute jeder sein.
Recycling-Beton
Dass Entsorgungsunternehmen recyclen, liegt auf der Hand. Dass auch Betonwerke dies tun, ist da schon etwas aussergewöhnlich. Nicht so jedoch für die Rusena Betun SA in Ramosch, die zur Firma Laurent gehört. Bei «Plattamala» am Inn, zwischen Ramosch und San Niclà, produziert das Unternehmen bereits seit Jahrzehnten Kies und Beton, rund 12'000 bis 15'000 Kubikmeter Beton jährlich, sagt Geschäftsführer Arno Forrer. Um Beton herzustellen, braucht es Sand, Zement, Wasser und eben Kies. So war das jedenfalls bis jetzt. Seit rund zwei Jahren aber produziert Rusena Beton aus Wasser, Zement und Alt-Beton – Recyclingbeton. Diesen bereiten sie vor Ort auf. Die angelieferten Platten und Elemente werden in «mundgrosse» Stücke verkleinert, wie Forrer sagt und dann in den Brecher gegeben. Ein riesiges Ungetüm aus Stahl, das unter höllischem Lärm die mundgrossen Stücke in kieselgrosse zerkleinert. Ein Magnet zieht die ebenfalls zerstückelten Stahlarmierungen aus dem feinen Material und sammelt sie separat. Der Recycling-Materialanteil könne von 35 bis zu 100 Prozent am «neuen» Recyclingbeton betragen, erklärt Forrer. Und die Eigenschaften des neuen Materials aus alten Materialien seien genauso gut wie die des frischen Betons. Eine Tatsache, die in einem unabhängigen Labor geprüft und bestätigt wird. Momentan betrage der Anteil des Recyclingbetons an der Jahresproduktion etwa 20 Prozent, schätzt Forrer. Er geht aber davon aus, dass dieser Anteil steigen wird, auch weil Planer immer häufiger Recyclingbeton verlangen. Einer der ersten Unternehmer im Tal, der Recyclingbeton im grösseren Stil eingesetzt hat, ist – Reto Crüzer. Am Boden seiner neuen Entsorgungshalle.