Bauunternehmer Armon Thomas aus Ardez erstand ein Haus im Ort und wollte dort Mitarbeiterwohnungen einbauen. Doch dann stiess er bei den Umbauarbeiten unter der x-ten Wand- und Deckenschicht auf Zeichen und Inschriften, die zeigten, dass sich in diesem Haus früher ein Restaurant befand. «Spluga» hiess es und war zwischen 1908 und 1913 betrieben worden. Denn damals zählte das Dorf rund 1'000 Einwohner, um einiges mehr als im Vergleich zu den 450 heutzutage. Dies waren vor allem Arbeiter, welche die RhB-Linie zwischen Samedan und Scuol bauten. Jon Mengiardi notierte aus dieser Zeit, dass die Häuser bis in die hinterste Ecke von Leuten bewohnt waren. Denn die Einheimischen vermieteten nicht nur Wohnungen, sondern auch Zimmer und Kammern. Viele Arbeiter wohnten aber auch in Baracken.
Und die Arbeiter arbeiteten nicht nur, sondern sie gingen auch in die Kirche, in die katholische. Diese stand zum Glück schon auf der Wiese unterhalb des Dorfes. Denn diesen Platz hatte Josef Geng der katholischen Kirchgemeinde zur Verfügung gestellt, und am 15. März 1871 erteilte die Gemeinde der katholischen Kirchgemeinde die Baubewilligung, jedoch nur unter strengen Auflagen. So unterstützte die Gemeinde nach wie vor nur die protestantische Kirchgemeinde finanziell, und die Katholiken hatten Rücksicht auf die protestantischen Feiertage zu nehmen, umgekehrt jedoch nicht. Jedenfalls wurde die Kirche gebaut und steht heute noch.
Doch selbstverständlich gingen die Arbeiter nicht nur in die Kirche, sondern auch gerne mal ins Restaurant. Auch da zeigten sich die Ardezer durchaus geschäftstüchtig und begannen Restaurants und Wirtsstuben zu bauen. Heute würde man zu diesen vielleicht Pop-up-Restaurants sagen. Denn nach Vollendung der Bauarbeiten schlossen die meisten Betriebe wieder. Während der Baudauer aber, also von 1908 bis 1913, boten 14 Restaurants trinkbare und feste Speisen. Darunter auch das Restaurant «Spluga» unmittelbar am ersten Engpass, von Zernez herkommend gelegen.
Und das «Spluga» war es, welches Thomas bei seinen Arbeiten freilegte. Er überlegte nicht lange und beschloss, aus dem Raum wieder ein Restaurant zu machen.
Die Leitung übernahm Marianna Clalüna, Wirtin des «la stalla», und auf der Karte stehen Plättli und einfache Speisen, Aperitife und einige Spezialitäten aus dem Veltlin.
Ganz so, als wären die italienischen Arbeiter nie weggewesen.