«Es braucht Jugendarbeit, weil es jemanden braucht, der sich für die Bedürfnisse der Jugendlichen in einer Gemeinde einsetzt.» Seit einem Jahr leitet Meret Wüest die Jugendarbeit der Gemeinde Scuol und weiss genau, was sie auf die Frage, warum es Jugendarbeit braucht, antworten muss.
Weil sie als Jugendarbeiterin der Schweigepflicht unterliege und ein offenes Ohr für die Jugendlichen habe, würden sich diese ihr auch anvertrauen. Sie sei quasi der erwachsene Kumpel für die Jugendlichen.
Engagierte Leiterin in Scuol
Dass es einen solchen für die Jugendlichen braucht, hat die Gemeinde Scuol vor etwas mehr als einem Jahr beschlossen und sich auf die Suche nach einer entsprechenden Fachperson gemacht, Meret Wüest gefunden und in einem 80-Prozent-Pensum angestellt. Aufgewachsen ist sie in St. Gallen, mittlerweile wohnhaft in Ardez und ausgebildete Künstlerin. Nach der Kunst hat sie, ebenfalls an der Hochschule Luzern, noch soziokulturelle Animation studiert. Mit Kunst Geld zu verdienen, sei fast unmöglich, musste sie nach dem ersten Studium feststellen. Weil sie bereits während des Kunststudiums in Jugendtreffs gearbeitet hat, war der Schritt zur soziokulturellen Animation ein logischer. Auch dort arbeitete sie während des Studiums 60 Prozent in verschiedenen Jugendtreffs, um Geld zu verdienen. Die erste Arbeitsstelle war im Jugendtreff in Hünenberg in der Nähe von Zug, von wo sie viele gute Ideen nach Scuol mitgenommen habe, wie sie sagt.
Den richtigen Raum zu finden, ist da sicher eine wichtige Aufgabe bei der Gründung einer Jugendarbeitsstelle, aber auch eine grosse Schwierigkeit. So war der Jugendtreff Scuol anfangs im Büro des Richters im Gemeindehaus untergebracht. An und für sich ein schöner Raum, nur mussten die Wände unbedingt immer weiss bleiben. Nicht die beste Ausgangslage, wenn die Jugendlichen ja auch ihre Kreativität ausleben sollten.
Nun zieht der Jugendtreff in eine Vier-Zimmer-Wohnung im Gebäude des Center Alpin um, und damit in fast schon paradiesische Verhältnisse, wie sich Meret Wüest freut.
Kreativität und Aktivitäten sind die eine Seite im Jugendtreff, zwangloses Treffen die andere. Klar gebe es viele Vereine im Tal, weiss Wüest. Doch diese würden vor allem die Sparten Musik und Sport abdecken. Was aber machen Jugendliche, die sich für keins der beiden Gebiete interessieren? Diese Lücke schliesst der Jugendtreff. Und selbstverständlich besuchen auch Jugendliche, die in Vereinen sind, den Jugendtreff. Weil es etwas anderes ist, zwanglos eben. Zudem treffe man die verschiedensten Leute aus den unterschiedlichsten Dörfern und Herkünften.
Am Mittwoch und Freitag geöffnet
Jeweils mittwochs von 14.00 bis 17.00 Uhr und am Freitag von 18.00 bis 21.00 Uhr ist der Jugendtreff geöffnet. Im Schnitt besuchen 7 bis 17 Jugendliche von der 5. bis zur 9. Klasse den Treff. Und so ganz zwanglos ist es dann doch nicht immer, wie die Jugendarbeiterin erklärt. Denn sie würden meist gemeinsam etwas machen wie kochen, alkoholfreie Drinks zubereiten oder auch malen oder Graffitis herstellen. Dabei würde meistens in Gruppen gearbeitet. In Gruppen, in denen sich die Jugendlichen nicht immer kennen und die dann trotzdem gemeinsam einen Weg und eine Lösung suchen müssten und dabei auch Widerstände zu überwinden hätten.
Aber auch die Leiterin ist nicht nur immer Kumpel, sondern muss auch mal überzeugen. Nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Behörden und Gemeindevertreter*innen, wenn es beispielsweise um neue Projekte und deren Finanzierung gehe. Das scheint Wüest gut zu gelingen, jedenfalls floriert der Jugendtreff und das Budget ist ausreichend.
Und Wüest ist nicht nur stationär im Treff, sondern auch unterwegs in den Dörfern, wo sie dann den Kontakt mit den Jugendlichen suche und auch das Gespräch mit ihnen. Wichtig sei es, dass die Jungen wahrgenommen und gehört würden, weiss Meret Wüest.
Engagierte Leiterin auch in Ramosch/Valsot
Nicht nur in Scuol existiert Jugendarbeit, sondern auch in Ramosch. Dort war anfangs auch ein Jugendarbeiter zuständig, nach dessen Abgang war die Stelle jedoch verwaist. Darauf meldete sich die Stiftung Pro Terra Engiadina bei der Gemeinde mit dem Vorschlag einer Zusammenarbeit, weil sich auch Pro Terra Engiadina für die Jugend einsetzen will. Seit letztem November leitet nun Biggi Kohl den Jugendtreff in Ramosch/Valsot und ist erste Ansprechpartnerin für die Jungen. Jeweils am Freitag ist der Treff geöffnet, Zielpublikum sind Schüler*innen der 5. bis 9. Klasse, aber auch Ältere sind sehr willkommen. Drei bis 13 Kinder würden sich jeweils bei ihr einfinden, sagt Kohl. Das Lokal befindet sich im Schulhaus in Ramosch und verfügt über Küche und Bar, was sehr gut ist, sowohl für die Blue-Cocktail-Mix-Kurse wie auch fürs Kochen. In Ramosch finanzieren Gemeinde, Pro Terra Engiadina und die Kirche die Jugendarbeit. Deshalb leisten die Jugendlichen auch mal entsprechende Einsätze und putzen Brunnen oder flechten Adventskränze für die Kirchen oder schmücken den Weihnachtsbaum.
Die Kirchen würden auch einen Jugendtreff in Zernez mitfinanzieren, wie Hermann Thom als Vertreter der reformierten Kirche sagt. Vor fünf Jahren haben sowohl die katholische wie auch die reformierte Kirchgemeinde Geld für ein Lokal des Jugendtreffs budgetiert. Trotzdem ging das Projekt nicht mehr weiter, aus welchen Gründen auch immer. Doch wie heisst es so schön? Aufgehoben ist nicht aufgeschoben. Auf dass auch die Jugendlichen in Zernez einen Treffpunkt haben und jemanden, der sich für sie einsetzt.