Rund eine Million Kubikmeter Fels drohen an der Ostflanke des Piz Buin, zuhinterst im Val Tuoi, abzustürzen. Zu diesem Schluss kam gemäss der Gemeinde Scuol ein breit abgestützter Fachbericht. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Felsmassen innerhalb der nächsten fünf Jahre zu Tal stürzen. Gefährlicher, so die Experten weiter, sei es im Winter, weil dann die Felsmassen auf Schnee besser und weiter rutschen. Deshalb hat die Gemeinde Scuol Mitte Dezember entschieden, die Tuoi-Hütte für diese Wintersaison zu schliessen. Die Gefahr liegt nicht darin, dass die Felsmassen die Hütte unter sich begraben würden, sondern, dass die Druckwelle der Hütte samt Gästen Schaden zufügen könnte.
Leicht auf dem falschen Fuss von dieser Meldung erwischt wurde Christian Wittwer, Hüttenwart der Tuoi-Hütte. Zwar habe die Gemeinde ihm gegenüber bereits Mitte November mal angedeutet, dass es mit dieser Wintersaison nichts werden könnte, fix war damals aber noch nichts. Der definitive Entscheid kam dann am 15. Dezember. Da hatte er Gewissheit, dass es mit der Wintersaison nichts werden würde.
Damit stellten sich für den Berner Oberländer gleich mehrere Probleme. Erstens war er als hauptberuflicher Pächter plötzlich arbeitslos. Dann hatte er die Hütte zu diesem Zeitpunkt bereits gut mit Vorräten gefüllt und der Buchungsstand zählte 1300 Reservationen.
Flexibler Hüttenwart
Was die Arbeit betrifft, so zeigte sich Wittwer sehr flexibel, und zudem liess sich die neue Stelle gleich mit der neuen Liebe kombinieren. Diese lebt im Berner Oberland, genauer in Adelboden, wo Wittwer gleich zwei Stellen gefunden hat. Eine in einer Hotelküche, wo er tatsächlich auch noch etwas lerne, wenn er dann hoffentlich bald wieder am Herd in der Tuoi-Hütte stehe, wie er sagt. Zusätzlich ist er noch Filialleiter eines Skiverleihs und auch als Bergführer aktiv, so weit also, mal so gut.
Einen Teil der Vorräte, vor allem Getränke, konnte er wieder aus der Hütte holen, weil damals kaum Schnee lag. Und noch besser, der Getränkelieferant aus Zernez nahm diese wieder zurück und vergütete sie vollumfänglich. Die Lebensmittelbestände konnte er an Kollegen weitergeben respektive verkaufen, allerdings mit finanziellen Einbussen, wie er sagt. Insgesamt seien etwa drei Wochen Arbeit futsch, erklärt Wittwer, um leicht fatalistisch anzufügen, dass so eben das Leben sei.
Bei den Reservationen schliesslich blieb ihm nichts anderes übrig, als diese schweren Herzens abzusagen. Tatsächlich habe er sich sehr auf die Wintersaison gefreut. Er möge zwar Sommer und Winter gerne, den Winter allerdings noch ein wenig mehr als den Sommer. Zudem hätte er Lust gehabt, «richtig Gas zu geben.»
Doch apropos Winter: Ein wenig vermag Wittwer zu trösten, dass vom Winter, ausser den tiefen Temperaturen im Januar, nicht viel zu spüren war. Die Schneedecke nahm sich bis Ende Januar doch sehr bescheiden aus, und Skitouren im Val Tuoi waren bis dahin kaum möglich.
So hofft Wittwer, dass die Felsmassen irgendwann im März zu Tale stürzen und er dann die Tuoi-Hütte im Sommer wieder öffnen kann.