«Momentan verarbeiten wir rund 300'000 kg Milch im Jahr, zu Beginn waren es jedoch 570'000 kg.» Peter Mair, Käsermeister und Leiter der Sennerei Samnaun, beobachtet die rückläufige Verarbeitungsmenge mit Sorgen. Grund dafür sei, dass in Samnaun bei den Landwirtschaftsbetrieben gerade ein Generationenwechsel stattfinde, erklärt er. Nicht mehr alle Jungen, die den Betrieb von den Eltern übernähmen, möchten weiterhin melken. Und ein Bauer, der bis jetzt gemolken hat, stellt auf Schafe um. Ihm würde der Nachfolger fehlen, weshalb er aufs Alter eine etwas weniger anstrengende Variante der Landwirtschaft gewählt habe, weiss Mair. Momentan würden noch fünf Betriebe Milch in die Sennerei Samnaun liefern. Das respektive die gelieferte Menge sei jedoch zu wenig. Sie müssten langjährige Kunden vertrösten und könnten nicht mehr das ganze Sortiment anbieten. Zum Beispiel gibt’s den Samnauner Bergkäse nur noch in zwei Reifestadien. Früher waren es drei, doch dafür reicht die Menge nicht mehr.
Mair und sein Team sind also auf der Suche nach mehr Milch, am liebsten solche aus dem Inland. Nicht weil sie etwas gegen ausländische Milch hätten, sondern weil Milch innerhalb der Landesgrenze einfacher zu verschieben sei. Bis jetzt haben sie niemanden gefunden, weshalb sie den Blick doch ins Ausland richten. Wobei Ausland etwas relativ ist, liegt doch Spiss, wo dereinst noch Milch herkommen soll, im selben Tal wie Samnaun. Dort gäbe es zwei Bauern, die Interesse hätten, Milch zu liefern. Allerdings muss erst noch der ganze Bürokratieberg erklommen werden.
So verarbeitet Samnaun momentan rund 300'000 kg Milch zu Käse, primär Mutschli und Bergkäse in zwei Reifestadien.
Spezielles aus Tschlin
Mair ist nicht nur Leiter in Samnaun, sondern auch Mitbetreiber der Käserei in Tschlin, welche aber primär seine Frau Chatrina führt. Die Käserei mit Namen «Che Chaschöl» ist spezialisiert auf die Verarbeitung von Ziegen- und Schafsmilch, die von zwei Betrieben in Tschlin stammt. Auch Kuhmilch verarbeiten sie, ebenfalls aus Tschlin, insgesamt 150'000 kg. Sie produzieren Spezialitäten, unter anderem auch Mozzarella, was sich sehr gut verkauft. Die mittelfristige Zukunft sieht da nicht schlecht aus, meint Mair. Der Neffe des Schafbauers sei bereits in der Ausbildung zum Landwirt und wolle dereinst den Betrieb übernehmen und auch die Schafe weiter melken.
Beim Ziegenbetrieb geht der Käser davon aus, dass diese mindestens noch so lange gemolken würden, wie die Eltern des neuen Betriebsleiters auf dem Hof mitarbeiten würden. Danach dürfte dies eher ein Mutterkuhbetrieb werden.
Es läuft in Sent
Komplett sorgenfrei, zumindest gemäss Fadri Stricker, dem Präsidenten der Alp- und Sennereigenossenschaft Sent, präsentiert sich die Lage in Sent. Neun Produzenten melken gegenwärtig rund 1,3 Millionen Liter Milch im Jahr. Darin eingerechnet ist auch die Milchproduktion auf den Alpen. Von der Alp Telf und der Alp Spadla führt eine Pipeline zur Käserei im Dorf, die auch Milchsammelstelle ist. Auf der Alp Pra San Flurin produzieren die Sennen im Sommer etwa 6,5 Tonnen Käse.
80'000 Liter Milch verarbeiten die Sentner selber in ihrer eigenen Käserei. In der Käserei entstehen zwei Sorten Mutschlis, eines als Weissschimmel-Käse, das andere rot geschmiert, dann der Sentiner als Frühstückskäse, ein Weichkäse und Joghurt.
Stricker ist hochzufrieden, sowohl mit der Einlieferung der Milchmenge, als auch mit deren Absatz. Weil sie die Käserei auch als Sammelstelle nutzten, könne der Lastwagen aufs Mal 10'000 kg Milch abholen, was sich vorteilhaft auf den Transportpreis auswirke. Stricker ist denn auch mit der wirtschaftlichen Lage der Käserei zufrieden: Es laufe gut und es bleibe auch genügend Geld für die notwendigen Investitionen. So hätten sie unlängst eine neue Kühlanlage eingebaut, die Energie für sieben Familien einspare. Überhaupt lebe die ganze Genossenschaft von allen Teilen, die sie hätten. Würde man versuchen, ein Stück davon herauszubrechen, würde alles in sich zusammenfallen.
Zufrieden in Ftan
Zufrieden mit der Lage ist auch Davide Silvestri aus Livigno. Seit einem Jahr ist er der Käser in der Chascharia Ftan. Zufrieden ist er deshalb, weil ihm seine beiden «Chefs», Reto Rauch und Riet Peer, viele Freiheiten liessen. Schlussendlich müsse er einfach guten Käse und feine Joghurts machen, erzählt er. Allerdings ist die Zahl der Milchkühe in Ftan nicht mehr so hoch wie früher. Rund 36 sind es heute noch, sie liefern rund 160'000 Liter Milch jährlich. Die Kühe sind im Besitz von zwei Bauern. Diese aber, und das klingt durchaus zukunftsträchtig, legen ihre Betriebe zusammen. Der eine baut just einen neuen Stall, in dem die Milchkühe und Kälber Platz finden, der andere beherbergt die Rinder. Aufgrund des Neubaus sei er optimistisch, sagt Silvestri, dass es in Ftan auch in Zukunft noch genügend Milchkühe gibt und er auch weiterhin Bergkäse, Rahmkäse, verschiedene Raclettekäse oder eben Joghurt herstellen kann.
Neuer Betrieb im Val Müstair
Die modernste Käserei der Region steht in Müstair im Val Müstair. Seit November 2018 kommt sämtlicher Käse des Val Müstairs aus diesem Betrieb. Die Milch dazu liefern zwölf Bauernbetriebe im Tal, alles Bio-Heumilch, rund 1,2 Millionen Liter Kuhmilch jährlich, dazu noch etwa 5000 Liter Ziegenmilch. Daraus entstehen jedes Jahr etwa 100 Tonnen Käse, wobei die Chascharia Val Müstair ein äusserst breites Sortiment aufweist. Dieses reicht von halbharten Bergkäsen über vollfetten und Rahmkäse hin zu Mutschlis und Weichkäsen, auch Raclettekäse dürfe natürlich nicht fehlen. Ein kleinerer Teil der Milch geht in die Produktion von Joghurt und Pastmilch.
Auch für die Zukunft der Käseproduktion im Val Müstair sieht es gut aus, da die Milchbauern vom sicheren Absatz des weissen Goldes wissen und sich auch nachfolgende Generationen darauf einlassen wollen.
Die allergrösste Käserei oder eher Milchverarbeiterin steht aber in Bever und heisst Lesa (Lataria Engiadinaisa). Sie verarbeitet jährlich 5 bis 6 Millionen Liter Milch, rund 2,5 Millionen davon aus dem Unterengadin.