Was Flurnamen verraten

Nina Brunner Flurnamen dienen der Orientierung in Landschaften. In ihnen stecken Informationen über die einstige menschliche Nutzung, oder sie zeigen Bezüge zu ehemaligen Eigentümern auf. In Lavin haben Jachen und Silvia Saluz durch Zusammentragen der Flurnamen dafür gesorgt, dass dieses Wissen erhalten bleibt.

Flurnamen werden von der örtlichen Bevölkerung bestimmt, von ihr in Aussprache sowie Schreibweise verändert und von Generation zu Generation überliefert. Sie können Auskunft über die ursprüngliche Nutzung eines kleinräumigen Landschaftsteils oder ehemalige Eigentümer geben. Der Flurname «Charbunera» (Kohlenmeiler) deutet zum Beispiel darauf hin, dass hier früher Holzkohle erzeugt wurde. Oft werden auch Landschaftselemente als Flurnamen verwendet wie z. B. «god» (Wald), «prà» (Wiese) und «craista» (Bergrücken). Vor allem für die in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Leute sind die Flurnamen ein wichtiger Bestandteil für die Orientierung im Feld. Durch die Verlagerung des Anteils an Erwerbstätigen von der Landwirtschaft in den Dienstleistungssektor werden die Flurnamen im Sprachgebrauch immer weniger gebraucht. Zudem werden durch Zusammenlegung oder Aufteilung von Parzellen amtlich geltende Flurnamen neu bestimmt. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein Teil früherer Geschichte verloren geht. So auch in Lavin. Bestand das Dorf früher vor allem aus Landwirten, arbeitet heute der grösste Teil der Bevölkerung im Dienstleistungssektor. Jachen und Silvia Saluz haben eine Flurnamenkarte von Lavin erstellt und diese der Bevölkerung zugänglich gemacht, um zu verhindern, dass altes Wissen verloren geht.

Jachen und Silvia Saluz
Jachen und Silvia Saluz © Familie Saluz

Entstehung der Flurnamenkarte

Jachen Saluz (1931 - 2020) entstammt einer Bauernfamilie aus Lavin. Die Bezeichnung der verschiedenen Wiesen in seinem Wohnort lernte er von seinen Eltern. Damit auch die nachfolgenden Generationen Zugang zu diesem Wissen erhalten, hat er nach seiner Pensionierung mit seiner Frau Silvia Saluz die Flurnamen zusammengetragen. Mithilfe des rätischen Namensbuches von Andrea Schorta (1985) sowie den Karten von Otto Friedrich Bonifazi (1916 - 2000) und Mario Denoth haben sie die Karte ergänzt.

Unterstützt wurden sie später von Dr. Andri Bisaz. Dieser sorgte dafür, dass nach dem Tod von Jachen Saluz die Karte fertiggestellt wurde. Seine familiäre Verbundenheit zu Lavin und sein Interesse als Geograf haben ihn dazu bewogen, die bereits geleistete Vorarbeit weiterzuführen. Als Kind verbrachte er viele Sommer bei der Familie Saluz auf dem Bauernhof und konnte so die Thematik von Anfang an mitverfolgen. Er freute sich, ein Projekt zu unterstützen, welches von Bewohnern von Lavin für Lavin gestartet wurde. Auch ihm ist wichtig, dass die kulturelle Bedeutung der Flurnamen nicht vergessen geht. Denn sie tragen dazu bei, die Funktion eines Dorfes von früher zu verstehen. Zudem zeigten sie die Grundlagen vom früheren Leben auf.

Die Flurnamenkarte wurde durch Dr. Konrad Zehnder (Geologe) und Curdin Bonifazi (Schreiner) mit den früheren Wasserleitungen ergänzt. Durch die Güterzusammenlegung wurden die Wasserleitungen schon vor Jahrzehnten zerstört. Ihre Lage ist heute grösstenteils nur noch schwach zu erahnen.

Wasserleitung, Aual da Crusch
Wasserleitung, Aual da Crusch © Konrad Zehnder

Ein Gemeinschaftsprodukt

Für die Digitalisierung der Karte wurde der Schweizerische Nationalpark (SNP) um Unterstützung angefragt. Als Praktikantin im SNP durfte ich die Flurnamen digitalisieren und die Gesamtgestaltung der Karte übernehmen. Vor dem definitiven Druck wurde die Karte im Schulhaus von Lavin aufgelegt, damit sie noch mit weiteren Flurnamen ergänzt werden konnte. Die Auflage hat gezeigt, dass das Interesse bei der Bevölkerung gross ist. Es stellte sich aber auch heraus, dass die jüngere Generation bereits viele der auf der Karte dargestellten Namen nicht mehr kennt.

Nach der letzten Überarbeitung der Karte erfolgte der Druck durch Gammeter Media. Die Kartenreproduktion gewährte die Swisstopo. Die Finanzierung des Projekts übernahm die Gemeinde Zernez.

Die Karte ist bei der Einwohnerkontrolle von Zernez erhältlich. Jeder Haushalt in Lavin erhielt ein Gratisexemplar. Schliesslich soll die Flurnamenkarte dazu beitragen, dass die Bezeichnungen nicht vergessen gehen – und damit auch einen Teil der früheren Geschichte dokumentieren.

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