Vom Baumschläfer "Drynomys nitedula" und seinen Verwandten

Angelika Abderhalden Bisher waren nur wenig Funde des Baumschläfers im Unterengadin, Val Müstair und Südtirol bekannt. In Nordtirol gab es nur historische Nachweise. Forschende und Interessierte suchten nach Spuren dieses scheuen, seltenen Bilchs und seiner Verwandten und fanden sie auch.

Kurze Geschichte des Baumschläfers

In Mitteleuropa sind nur vier Bilche bekannt. Bilche oder Schläfer, wie sie auch genannt werden, sind kleine Nagetiere, die überwiegend nachtaktiv sind. Die vier Arten sind die Haselmaus, der Siebenschläfer, der Gartenschläfer und der Baumschläfer. Letzterer kommt in der Schweiz nur im Unterengadin und im Val Müstair vor. Damit ist die Region die einzige in der Schweiz, in der alle vier Arten vorkommen. Der Baumschläfer ist etwa handflächengross, hat einen buschigen, grauen Schwanz, kleine Ohren und trägt wie der bekanntere Gartenschläfer eine sogenannte Zorro-Maske. Das kleine, scheue Tier zeigt sich nicht gerne, weshalb die Forschenden sich Verschiedenes überlegt haben, wie sie sein Vorkommen nachweisen könnten.

Baumschläfer.
Baumschläfer. © Judith Eicher, Wilde Nachbarn

Auf Romanisch heisst der Baumschläfer "durmigliet tirolais" also "Tiroler Schläfer", was schon darauf hinweist, dass er vermutlich wirklich in der ganzen Terra Raetica vorkommt. Im Vinschgau waren drei Fundstellen bekannt, in Nordtirol gab es vor der Untersuchung keine bekannten Fundstellen. Im Unterengadin und neu sogar bis ins Oberengadin zeigt er sich zwar selten, aber es werden doch immer wieder Nachweise gemacht. Im Val Müstair konnte der Baumschläfer erstmals 2012 nachgewiesen werden. Seither findet man seine Spuren vor allem in Sta. Maria. Die Standorte sind meist in schattigen, eher höher gelegenen, feuchten Mischwäldern. Um Fördermassnahmen für die europaweit geschützte Art umzusetzen, sollten durch die Untersuchung mehr Erkenntnisse zu den Lebensraumansprüchen gewonnen werden.

Forschungsarbeit und weitere Beobachtungen

Im Unterengadin/Val Müstair, in Nordtirol und im Vinschgau wurden je zwei Probeflächen mit jeweils 15 Untersuchungsstationen an Bäumen eingerichtet. Zum Einsatz kamen vier Erhebungsmethoden: Holzkobel, Holzbetonkobel, Spurentunnel und Wildtierkameras. Diese wurden systematisch in unterschiedlichen Höhen von einem bis zu sechs Metern auf Bäumen und Sträuchern angebracht. Die Feldarbeiten dauerten von September 2020 bis Oktober 2021. Die Probeflächen wurden durch die Expertinnen und Experten regelmässig kontrolliert. In der Schweiz war dies Regula Tester, in Nordtirol Christine und Stefan Resch und in Südtirol Eva Ladurner und Federica Lazzeri. Das Terra Raetica Interreg Kleinprojekt wurde durch die Partner Naturpark Ötztal, Nationalpark Stelvio und die UNESCO Biosfera Engiadina Val Müstair geleitet und durch das Netzwerk Natura Raetica begleitet.

Im Rahmen der Studie konnten in drei der sechs Untersuchungsflächen des Dreiländerecks Nachweise des Baumschläfers erbracht werden. Es gab in jedem Land je eine Probefläche mit und eine ohne Nachweis der Zielart. In Raschvella zeigte sich der Baumschläfer während der Untersuchung nicht, in Sta. Maria dagegen gelangen Nachweise. In den drei beteiligten Ländern konnte seine Präsenz 14 Mal belegt werden.

Beobachtungen mit Unterstützung der Bevölkerung

In der Studie kam klar heraus, dass durch den Einbezug der Bevölkerung sehr viel mehr Nachweise möglich sind. Dies war für uns ein Grund, die Arbeiten im Rahmen von "Wilde Nachbarn" in der Region Engiadina Val Müstair zu verstärken.

Gartenschläfer.
Gartenschläfer. © Jiri Bodhal, Wilde Nachbarn

Für dieses Jahr ist der Nachweis weiterer Bilche mit Fokus auf das Tier des Jahres – den Gartenschläfer – vorgesehen. Der Gartenschläfer hat eine viel stärker gezeichnete Gesichtsmaske als der Baumschläfer und trägt eine schwarzweisse Schwanzquaste. Er ist in der Schweiz noch an vielen Orten anzutreffen, aber sein Lebensraum wird immer beschränkter. Daher wurde der Gartenschläfer von Pro Natura als Tier des Jahres 2022 auserkoren. Er ist als Tier der naturnahen Wälder bekannt, wird aber auch in Hecken und Obstgärten, in Häusern oder Ställen angetroffen. Manchmal kann er in Häusern lästig werden. Falls er jemandem zur Last fällt, dann nehmen wir sehr gerne dazu eine Meldung entgegen und unterstützen sicher bei der Problemlösung. Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele, die sich für Bilche interessieren und solche beobachten, diese über die Plattform Wilde Nachbarn: evm.wildenachbarn.ch melden würden.

Im Unterengadin/Val Müstair werden wieder Spurentunnel im Einsatz sein. Vielleicht gelingt mit der einen oder anderen Methode auch der Nachweis des eher seltenen Baumschläfers, des Gartenschläfers, des Siebenschläfers oder der herzigen Haselmaus.

Für Schulklassen und interessierte Gruppen planen wir für den Herbst wieder eine Haselnussjagd. Falls jemand Interesse hat, Spurentunnel zu betreuen, oder bei der Haselnussjagd mitzumachen, freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme (admin@proterrae.ch).

Wilde Nachbarn Engiadina Val Müstair – von Bilchen bis zu Blütenbesuchern

Schläfer leben im Verborgenen, daher sind Beobachtungen aus der Bevölkerung besonders wertvoll. Fundorte können fotografiert und gemeldet werden. Diese Feldnachweise sind ein sehr wichtiger Bestandteil von weiteren Forschungsarbeiten rund um die Bilche, aber auch anderen wilden Nachbarn.

Über die Plattform "Wilde Nachbarn" können auch Blütenbesucher gemeldet werden. In der Schweiz gehören dazu über 600 Wildbienenarten. Anfang Mai wird dazu in Tarasp die Ausstellung «Wunderwelt der Bienen», die das Bündner Naturmuseum zur Verfügung gestellt hat, eröffnet. Sie wird bis Ende Juni im Gebäude der Turnhalle in Tarasp und ab 16. Juli in Tschierv im Schulhaus gezeigt. So können in der Region von Mai bis Ende August Wildbienen und Bienen und ihr spannendes Leben erkundet werden.

Das könnte Sie auch interessieren