Wie viele Velos haben Sie?
Ich besitze anderthalb Velos. Davon ist eines ein normales Mountainbike, dazu kommt ein E-Bike, das ich mir mit meiner Frau teile. Wer auf den Familienausflügen den Anhänger mit den Kindern zieht, fährt das E-Bike. Als ganze Familie nennen wir 6 oder 7 Velos unser Eigen.
Und wieviele Wanderschuhe?
Wander- und Bergschuhe habe ich vier Paar, dazu noch zwei Paar Laufschuhe, die ich aber auch eher zum Wandern brauche.
Sind Sie Biker oder Wanderer?
Eigentlich bin ich weder noch, respektive sowohl als auch. Momentan bin ich wieder mehr zu Fuss unterwegs. Das ändert aber von Jahr zu Jahr und hängt auch von der Familie ab, respektive wie gut die Kinder zu Fuss sind oder ob es einfacher ist, sie im Anhänger zu ziehen. So habe ich mit dem Velo auch schon 1'500 Kilometer im Jahr zurückgelegt, im nächsten aber nicht einmal 500.
Und ich vermute, dass ich mit dieser Zusammensetzung nicht ganz alleine bin.
Ist die Destination eine Bike- oder Wanderregion?
Ebenfalls weder noch, denn es gibt hier nicht mehr Wanderer als Biker. Ich würde sogar sagen, es sind oft dieselben Leute, die beides machen, sie wechseln dann einfach die Schuhe, respektive das Sportgerät.
Soll man das überhaupt unterscheiden?
Ich persönlich finde das nicht so sinnvoll, jedenfalls nicht für unsere Region. Denn wenn die Leute nur Wandern gehen, verpassen sie die Ziele, die etwas weiter entfernt sind und mit dem Velo gut zu erreichen wären. Eine Viertages-Tour rund um den Nationalpark macht man besser mit dem Velo. Fahren sie hingegen nur Bike entgehen ihnen die kleinen, feinen Ziele wie beispielsweise der Crap Putèr oder auch eine Tagestour im Nationalpark. Denn zu Fuss ist man näher dran.
Die Vielfalt und Grösse unserer Region machen es möglich, dass man sowohl zu Fuss wie auch mit dem Velo wunderschöne Tage verbringen kann. Übrigens auch mit dem Rennvelo – dank der topographische Situation mit den vielen Pässen.
Trotzdem kann man sich mit Biken profilieren, siehe Lenzerheide oder Oberengadin?
Absolut, aber trotzdem schliesst das eine das andere nicht aus. Denn unsere Region ist schlicht zu interessant und zu vielfältig um sich nur aufs Wandern oder nur aufs Biken zu fokussieren.
War die Fokussierung auf ein Gebiet nie ein Thema?
Nein, sicherlich nicht in den letzten Jahren. Eben weil die Region und ihr Angebot zu gross und zu vielfältig sind.
Trotzdem war Scuol mit der Lancierung des Nationalpark-Bikemarathons vor 20 Jahren Pionierin?
Jawohl, das war so. Und der Event konnte sich etablieren und zum mittlerweile grössten Mountainbike-Rennen Graubündens entwickeln. Parallel dazu lief beispielsweise um die Jahrhundertwende die Downhillstrecke bei Motta Naluns ganz gut. Deren Erfolg war jedoch von kürzerer Dauer.
Das heisst, die Entwicklung wurde etwas verschlafen?
Ein Stück weit hat man es vielleicht schon verpasst, die damalige Pionierstellung stärker auszubauen. Allerdings bin ich jetzt dankbar dafür, dass das nicht geschehen ist und man nicht auf Biegen und Brechen versucht hat, eine reine Bikedestination zu sein und zu bleiben. Beispiele wie Livigno oder Lenzerheide, die stark auf Biketourismus setzen zeigen, dass diese Strategie sehr landschaftsintensiv ist. So sind zum Beispiel Wege, die vor ein paar Jahren für die Biker noch attraktiv waren, heute zu wenig spannend und müssen – je nach Zielgruppe – entsprechend oft und aufwendig verbessert werden.
Daher bin ich durchaus froh, dass wir nicht immer so schnell auf jede Entwicklung reagieren.
Aber die Gemeinde oder die Region machen schon etwas für die Biker?
Ja, sicher. Im Moment setzen die Gemeinden des Unterengadins gerade den Mountainbike-Masterplan um. Dabei geht es allerdings weniger darum, beliebig viele neue Strecken und Attraktionen zu bauen. Und schon gar nicht darum, das Wanderangebot zu vernachlässigen.
Sondern?
Sondern darum, das bestehende Wegnetz und seine Nutzung anzuschauen. Der Masterplan will einzelne Routen auf ihre zusätzliche Eignung als Bikestrecke prüfen und bei Bedarf diesbezüglich verbessern. Dabei soll nicht viel Neues gebaut werden – auch weil bewilligungspflichtige Massnahmen ausserhalb der Bauzone sehr aufwendig und zeitintensiv sind. Typische "Bikepisten" wie Flowtrails und Downhillstrecken sind beispielsweise gar keine vorgesehen.
Weshalb nicht?
Weil wir einerseits die Zielgruppe damit stark einschränken und andererseits baulich zuviel verändern würden. Wir wollen grundsätzlich den Charakter der Wege der Region erhalten und betonen. Gäste, welche diese Region mit dem Bike erfahren möchten, wollen die puren, echten, naturnahen Trails.
Das ginge aber auch in den Dörfern oder auf dem Berg?
Ja, die Bergbahnen und ÖV-Anbieter bieten den Transport für den Langsamverkehr, dort wollen wir diese Art von Tourismus rundherum bieten und natürlich auch nutzen. Und auch in den Dörfern, die quasi am Ziel oder am Start der Trails liegen achten wir auf touristisch nutzbare, interessante Ausflugsziele und gute Möglichkeiten, um sich zu stärken.
Nun kommt auch noch Gravel, also das verstärkte Rennvelo, mit dem sich auch auf Schotterstrassen fahren lässt.
Ja, genau, mit dem Gravel-Bike lässt es sich auch abseits der geteerten Strassen fahren. Die Strecken, die damit möglich sind, lassen sich etwas mit denjenigen vergleichen, die früher für die Marathonbikes gedacht waren. Und da haben wir doch einiges zu bieten.
Zudem ist die Nachfrage nach Gravelbikes und -angeboten gross und von diesem Trend zu profitieren ist mit keinem grossen Risiko verbunden.
Es findet also rundherum eine Entwicklung statt?
Ja, und die Frage stellt sich, wie kanalisieren und monetarisieren wir die Bike-Nachfrage, ohne die Region touristisch und landschaftlich zurückzustufen.
Rechnet man denn mit mehr Bikern?
Aufgrund der Entwicklungen im Markt schon. Aber nur wegen dem Masterplan wird es nicht plötzlich viel mehr Biker und Bikerinnen geben. Es dürfte eher der Fall sein, dass Gäste öfters Biken als bisher – aber das können auch diejenigen sein, die vorher gewandert sind und nun auch nach dem Biken wieder wandern gehen. Und dafür wollen wir die Rahmenbedingungen verbessern.
Nebst den klassischen Bikes und dem Gravel spielen auch die E-Bikes eine immer grössere Rolle, wie sieht es da aus in der Region?
Wie wir vorher bei den Wanderern waren, die auch Biken, so ist zu sagen, dass das E-Bike noch viel mehr Fussgänger aufs Velo bringt. Diese Leute schaffen es dank der elektrischen Unterstützung dann auch an Orte, wo sie vorher nie hingekommen wären.
Das will man schon, dass es immer mehr gibt, die an immer mehr Orte kommen?
Nicht unbedingt. Was man versucht, ist durch kommunikative und bauliche Massnahmen alle Wegnutzer zu lenken und so auf die immer wechselnden Nutzungsarten zu reagieren. Wie schon gesagt, sind es nicht unbedingt immer neue Zielgruppen und «andere» Leute, die mit neuen technischen Entwicklungen hierherkommen. Es sind oft die gleichen Gäste oder auch Einheimische.
Sie wechseln bloss das Sportgerät?
Ja, denn die steigenden Absatzzahlen bei den Velos gehen ja nicht mit einer steigenden Bevölkerungszahl einher. Wir gehen also immer noch vom gleichen "Kundenstamm" aus.
Und das sind immer häufiger Gäste, bei denen die Wanderschuhe gleich neben der Bike-Ausrüstung stehen.