Am 8. Februar 2025 hatte Uorschla Städler ihren letzten Auftritt als Präsidentin der «Grischunas Zernez». Nach 53 Jahren Mitgliedschaft, davon 35 als Präsidentin, oblag ihr die undankbare Aufgabe, den Verein aufzulösen.
«Grischunas»? dürfte sich die eine oder der andere fragen, was ist denn das? Zuallererst ist das Romanisch und heisst auf Deutsch übersetzt «Bündnerinnen», und da kommen wir der Sache schon entschieden näher. Denn am 14. September 1919 trafen sich junge Frauen im damaligen Kurhaus Bad Rothenbrunnen und gründeten die «Kantonale Vereinigung junger Bündnerinnen». Hintergrund war einerseits, dass sich Mädchen und junge Frauen in Graubünden an der sozialen Aufgabe beteiligen sollen, aber auch deren Austausch über das ganze Kantonsgebiet war ein zentrales Anliegen. Zum Zeitpunkt der Gründung bestanden mit Davos und Chur zwei Sektionen, auf dem Höhepunkt im Jahre 1944 waren es deren 26.
Zernez stiess mit der Gründung der eigenen Sektion im Jahre 1933 zur Vereinigung der jungen Bündnerinnen. Tatsächlich hiess die lokale Sektion damals noch «Junge Bündnerinnen». Irgendwann sei dann der Name in «Grischunas» geändert worden, sagt Uorschla Städler, wann, wisse sie aber nicht mehr. Dafür weiss sie noch, weshalb die Grischunas auch in Zernez eine Sektion stellen wollten: «Das war die Vorkriegszeit, und nicht um alle Familien oder auch um die Soldaten war es gut bestellt.» Deshalb begannen die jungen Bündnerinnen in Zernez, für die Soldaten und deren Angehörige Kleider zu nähen und zu flicken. Und dem Nähen und Flicken respektive der Handarbeit blieben sie dann über all die Jahre treu. Die jüngeren und älteren Bündnerinnen trafen sich regelmässig zum Stricken und Nähen. Einmal im Jahr veranstalteten sie einen Bazar, wo sie ihre Handarbeiten verkauften. Am Weihnachtsmarkt betrieben sie ebenfalls einen Stand und verkauften Arbeiten und Hotdogs. Und all diese Einnahmen dienten der sozialen Sache. Sie hätten damit beispielsweise das Spital in Scuol unterstützt, die Chasa Flurina in Lavin oder auch das Altersheim in Scuol. Ab und an hätten sie auch Geld an Familien zukommen lassen, von denen sie wussten, dass sie in finanziellen Schwierigkeiten waren.
Wichtiger Fixpunkt im Jahreskalender der Grischunas und der Seniorinnen und Senioren waren auch die Altersnachmittage in der Adventszeit. 80 bis 90 Personen hätten zu den besten Zeiten daran teilgenommen, erinnert sich Städler und sich über ein herzhaftes Essen und liebevoll dekorierte Tische gefreut.
Aber auch die Schulkinder durften sich bis vor 20 Jahren noch über Zuwendungen des Vereins freuen. An den Schulweihnachten gab es immer eine Orange und dazu ein Geschenk wie zum Beispiel eine Mütze, Handschuhe oder ein Sackmesser.
Nach und nach stellten sich dann aber Ermüdungserscheinungen ein. Die selbst gestrickten Sachen verkauften sich nicht mehr so gut. Pullover habe niemand mehr gewollt, sagt Uorschla Städler, lediglich noch Socken seien einigermassen gelaufen. Den Frauen fehlte ein fixes Lokal, in dem sie sich treffen und wo sie arbeiten konnten und immer mehr jungen oder älteren Frauen sei dann der Sport oder andere Hobbys wichtiger geworden, als sich in einer sozialen Gruppe zu engagieren, resümiert Städler. Als dann die Mitgliederzahl auf lediglich noch sechs gesunken sei, haben sich die verbliebenen Grischunas dazu entschlossen, den Verein aufzulösen.
Ein schwacher Trost dürfte da gewesen sein, dass es den anderen kantonalen Sektionen genau gleich ergangen ist. Heute bestünden nur noch zwei Sektionen, sagt Uorschla Städler, diejenige in Celerina und die in Davos.